Spekulationen über Änderungen im Energiemarkt halten an - Verbraucherzentrale im domradio

Wer kauft deutsche Stromleitungen?

Nach der überraschenden Ankündigung des größten deutschen Energiekonzerns E.ON über den Verkauf seines Leitungsnetzes halten die Spekulationen über mögliche Käufer an. "Mit der Nachricht wurde die Bundesregierung auf dem falschen Fuß erwischt", sagt Holger Krawinkel. Domradio sprach mit dem Energieexperten der Verbraucherzentralen über mögliche Käufer und die Folgen für den Kunden.

 (DR)

"Für diesen Fall hatte Berlin keine möglichen Planungen parat", so Krawinkel und listet verschiedene Varianten auf: "Das reicht von Finanzinvestoren zu Pensionsfonds und Staatsfonds." Auch ausländische Energieunternehmen kämen in Frage -  teile diese Befürchtung teile aber nicht.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein solcher Kauf durchgeführt wird. E.ON hat ja selbst schon angekündigt, dass es nicht an jemanden verkaufen will, der selbst Energiegeschäft tätig ist. Das wäre natürlich auch keine wirkliche Netzentflechtung. Da würde man  vom Regen in die Traufe kommen."

10 000 Kilometer lange Netze
Einem Medienbericht vom Freitag zufolge sind die spanischen Baukonzerne ACS und Acciona an einer Übernahme interessiert. In Branchenkreisen wurde zuvor vor allem auf Finanzinvestoren getippt. Die Bundesregierung zeigte sich unterdessen irritiert über die Entscheidung des Konzerns. E.ON selbst wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Der "Wirtschaftswoche" zufolge sind ACS und Acciona an einer Übernahme des rund 10 000 Kilometer langen deutschen E.ON-Stromnetzes interessiert. Wie das Blatt vorab unter Berufung auf Unternehmens- und Branchenkreise berichtet, würde ACS zudem auch die Kraftwerksleistung von 4800 Megawatt vorübergehend übernehmen, von der sich E.ON trennen will. E.ON hatte dies am Vortag überraschend bekanntgegeben, um so jahrelange Kartellstreitigkeiten mit der EU zu beenden.

ACS-Chef Florentino Prez Rodriguez könnte E.ON im Gegenzug seine 13-prozentige Beteiligung am größten Versorger Spaniens, Iberdrola, überlassen und würde damit E.ON doch noch den Markteintritt in Spanien ermöglichen, nachdem die Übernahme von Endesa dort vor knapp einem Jahr gescheitert war, schreibt das Blatt. Dies würde auch den überraschenden Schwenk von E.ON-Chef Wulf Bernotat erklären, sich von seinem Stromnetz zu trennen.

Eine Einigung mit ACS hätte für Bernotat zudem weitere Vorteile, berichtet das Blatt. ACS sei mit rund 45 Prozent beim spanischen Versorger Union Fenosa beteiligt. Fenosa sei aktiv bei Solarkollektoren und Windrädern. Offenbar wäre die Beteiligung an Fenosa Teil des Kaufpreises für das deutsche E.ON-Netz. Bei einer Einigung mit ACS würde E.ON doch noch zum größten spanischen Versorger.

"Das macht Sinn"
Umgekehrt hat der ACS-Konzern, der zudem zu 30 Prozent am größten deutschen Baukonzern Hochtief beteiligt ist, dem Magazin zufolge besonderes Interesse am deutschen Markt. Offenbar wolle sich der Madrider Baukonzern gemeinsam mit Hochtief um den Ausbau des Stromnetzes in Deutschland kümmern.

Bei der Bundesregierung stößt die Entscheidung E.ONs auf wenig Begeisterung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in München, das Vorhaben werde zwar die Verhandlungsposition der Bundesregierung gegenüber der EU "nicht unbedingt stärken". "Aber es macht sie auch nicht unmöglich", fügte sie hinzu. Während die EU-Kommission eine eigentumsrechtliche Aufspaltung der Energiekonzerne in Stromproduktion und Netzbetrieb anstrebt, versucht die Bundesregierung als Alternative eine Lösung durchzusetzen, die lediglich eine organisatorische Entflechtung vorsieht. Bislang hatte E.ON zusammen mit anderen Energiekonzernen diesen Kurs gestützt.

Der Bund der Energieverbraucher sprach sich unterdessen für eine Verstaatlichung der Netze aus. "Das macht Sinn, weil wir ja sehen, dass die privaten Netze nicht dazu führen, dass das Netz sicherer und zukunftsgerichtet ausgebaut wird", sagte der Vorsitzende Aribert Peters dem Bayerischen Rundfunk. Die Stromversorger hätten das in den vergangenen Jahren verweigert. Erst im Januar hatte die Bundesnetzagentur einen erheblichen Investitionsbedarf ausgemacht. Zudem kontrolliert die Bundesnetzagentur die Netzentgelte. Deswegen bleibt unter Experten fraglich, wer das Stromnetz kaufen will.