domradio.de: Was ist dran an diesen Gerüchten um eine Homosexuellen-Lobby im Vatikan?
Ring-Eifel: Die Quellenlage ist ziemlich eindeutig, es war ein Gespräch zwischen lateinamerikanischen Ordensleuten und Papst Franziskus. Es war also ein Gespräch unter Leuten, die sich sehr gut kannten, auf Spanisch geführt. Da hat dann jemand ein Protokoll angefertigt und die wichtigsten Aussagen des Papstes festgehalten. Das war natürlich nicht zur Veröffentlichung gedacht, ist aber trotzdem ins Internet gekommen.
domradio.de: Es wird seit langem viel darüber spekuliert. Gibt es denn Anzeichen, die darauf hindeuten, dass ein solches Netzwerk, eine Lobby von Homosexuellen, im Vatikan tatsächlich existiert?
Ring-Eifel: Man muss sich die Aussage des Papstes in diesem Protokoll anschauen. Er bestätigt, dass es so etwas gebe und dass darüber geredet werde, und er sagt, dass man schauen müsse, was zu tun ist. Das ist von der Substanz her nicht viel. Es war immer schon bekannt, dass es im Vatikan Homosexuelle gibt, dass es auch Monsignori, also höhergestellte Priester und so weiter gibt, die homosexuell sind und dort arbeiten, keine Frage.
Aber was bedeutet Lobby? Eine Lobby ist ja normalerweise eine Gruppe, die bestimmte Interessen durchsetzt, die sich auf die Gesetzgebung und den politischen Prozess in einem Staat einflussnehmend organisiert. Das ist sicher in diesem Fall nicht zu erkennen. Es ist eher als Umschreibung für ein lockeres Netzwerk zu verstehen, dass also Homosexuelle, die dort arbeiten, sich untereinander kennen, dass es da Vertrautheiten gibt, vielleicht auch Seilschaften. Aber eine Lobby im klassischen Sinne ist das sicher nicht.
domradio.de: Das ist ja eigentlich normal und menschlich, oder?
Ring-Eifel: Man würde im kölschen Sinne von einer Art Klüngel sprechen von Leuten, die eine vergleichbare sexuelle Orientierung haben. Es gibt auch andere Klüngel im Vatikan, das sind Leute, die aus der gleichen Weltregion oder der gleichen Kultur kommen. Auch die halten irgendwie zusammen. Die entscheidende Frage ist, ob es eine Seite dieser Seilschaft gibt, die problematisch ist. Und das scheint die Antwort des Papstes zumindest anzudeuten, dass es da ein echtes Problem gibt
Wenn es da Leute gibt, die voneinander wissen, dass sie bestimmte moralische Verfehlungen begangen haben, dann schafft das Erpressbarkeiten und führt im Zweifelsfalle auch zu falschen Personalentscheidungen und Sachentscheidungen. In dem Sinne, dass etwas nicht nach Richtig und Falsch entschieden wird, sondern nach der Frage, wer wen erpressen könnte. Das wäre ein echtes Problem, an dem der Papst arbeiten müsste.
domradio.de: Und die Erpressbarkeit rührt dann von der sexuellen Orientierung her?
Ring-Eifel: Nicht von der sexuellen Orientierung, sondern der sexuellen Praxis her. Die Orientierung an sich ist ja nicht sündhaft nach katholischem Verständnis. Nur, wenn man es tut, ist es sündhaft. Und wenn man nun voneinander weiß, dass der andere es tut, oder wo und mit wem er es tut, dann entstehen eben solche Erpressbarkeiten, und das wäre wirklich ein Problem.
domradio.de: Nun erhalten Spekulationen neue Nahrung, dass Papst Benedikt wegen dieser Seilschaften zurückgetreten sei. Für wie wahrscheinlich halten Sie dies?
Ring-Eifel: Das halte ich für unwahrscheinlich. Papst Benedikt XVI. hat in seinem gesamten Pontifikat sehr darauf geachtet, dass Leute, die in ihrer Vergangenheit ein Sündenregister hatten, nicht in vatikanische Führungspositionen kamen. Da hat er schon ziemlich hart durchgegriffen. Er war am Ende einfach körperlich und geistig müde und erschöpft.
domradio.de: Was glauben Sie, wie wird Franziskus jetzt damit umgehen?
Ring-Eifel: Er wird sich wohl die Einzelfälle anschauen: Immer wenn Leute nicht aufgrund ihrer sachlichen Qualifikation in Positionen gekommen sind, sondern weil es irgendwelche Netzwerke oder Erpressbarkeiten gegeben hat, wird er schauen, dass diese Leute versetzt werden und keine Leitungsposten mehr innehaben. Er kann eigentlich keine neue Gesetzgebung machen, weil der Umgang der katholischen Kirche mit Homosexualität seit langem feststeht.
domradio.de: Warum kommen immer wieder Inhalte von vertraulichen Gesprächen an die Öffentlichkeit?
Ring-Eifel: Die Spielregeln sind im Moment noch nicht wirklich geklärt, der Papst musste bei diesem Gespräch eigentlich davon ausgehen, dass es vertraulich bleiben würde. Er hat begreifen müssen, dass manche Leute das nicht respektieren. Solche Lernerfahrungen musste Papst Benedikt auch machen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.