DOMRADIO.DE: Die Idee zu den Bausätzen zu den Themen Trauer und Bestattung hatte der Niederländer Richard Hattink. Was genau können wir uns darunter vorstellen?
Mechthild Schroeter-Rupieper (Institut für Trauerbegleitung LaviaHaus in Gelsenkirchen, auch auf Facebook): Er führt Kinder an das Thema Tod heran, indem er ein Lego-Set zusammengestellt hat - mit Teilen etwa aus Amerika oder von Halloween-Sets - das Kindern spielerisch den Friedhof, die Trauerhalle oder die Kapelle näherbringt. Es sind Gräber dabei, aber auch die Friedhofsgärtner, die eine Schaufel oder eine Schubkarre haben. Es gibt ein Krematorium. Eltern können dieses Set auch noch erweitern, zum Beispiel mit einer Kutsche oder auch mit einem Reisebus. So etwas gibt es in Holland, einen Bus, den man mieten kann. Da fahren ungefähr 28 Leute mit und in der Mitte steht der Sarg. Das heißt, der Verstorbene fährt mit zum Friedhof oder zum Krematorium.
DOMRADIO.DE: Das Spielzeug ist aus Lego-Sets zusammengestellt. Der Erfinder nennt es aber Bestattungsspielzeug. Der Name Lego darf nicht verwendet werden.
Schroeter-Rupieper: Genau. Weil Lego gesagt hat, sie möchten nicht, dass der Name Lego vergeben wird, obwohl es genau dieses Material ist. Das Unternehmen sagt: Wir stehen für Spaß und Spiel. Ich denke aber, sich mit Tod und Trauer zu beschäftigen, schließt Spaß und Spiel im Grunde tatsächlich nicht aus.
DOMRADIO.DE: Sie haben ja wirklich Erfahrung in der Trauerbegleitung für Familien. Sie haben vor über 20 Jahren die Familientrauerbegleitung in Deutschland gegründet. Haben Sie das Set selber auch schon eingesetzt und mit Kindern gespielt?
Schroeter-Rupieper: Ich habe das auf der Messe "Leben und Tod" in Bremen gesehen und hab sofort gedacht: Das gehört in Kindergärten, das gehört bei mir in die Familien-Trauerarbeit mit hinein und auch in Grundschulen. Ich habe damals ein Set mitgenommen, um es hier vor Ort auszuprobieren und habe gemerkt, dass die Kinder sofort darauf reagieren, insbesondere die Kinder, die Beerdigung und Friedhof kennen.
DOMRADIO.DE: Wie reagieren denn die Kinder?
Schroeter-Rupieper: Sie gehen drauf zu. Sie schauen sich die Teile an, die da sind. Wir haben vor kurzem die Situation gehabt, dass Jan und Julien - beide sieben Jahre alt -, deren Väter beide im letzten Jahr verstorben sind, hingingen und sich beide einen Sarg nahmen, ohne sich abzusprechen. Der eine nahm einen blonden, der andere einen braunhaarigen Mann. Und sie legten diese Männer in den Sarg und sagten: So, das ist die Beerdigung von Papa. Und dann suchten sie Menschen raus und spielten das nach.
Im Grunde kann ich dadurch nochmal reflektieren. Ich kann die Situation nochmal begreifen. Ich denke, es geht wirklich auch um begreifen, um nachspielen, um darüber reden. Es fällt ganz leicht, in dem Moment den Kindern Fragen dazu zu stellen: Wie war das bei Euch? Denkst Du da manchmal noch dran? War das eine schwierige Zeit? Und während die Kinder damit spielen, können sie darüber sprechen und auch die Erfahrung von anderen mitbekommen.
DOMRADIO.DE: Also ein ganz bewusster Umgang. Jetzt haben Sie eben schon angedeutet: Der Lego-Konzern hat gesagt, Kinder sollen das Spielzeug nur mit lächelnden Gesichtern verbinden. Was halten Sie davon?
Schroeter-Rupieper: Die können nicht einfach nur heile Welt spielen. Ich denke, das Thema ist wichtig dafür, dass Kinder heranwachsen können. Denn der Umgang mit Tod und Trauer gehört einfach mit in die Bildungsarbeit. Wir werden alle sterben und wir werden alle damit konfrontiert werden. Und deshalb ist es wertvoll, so ein Angebot zu machen. Es ist ja nicht nur mit Traurigkeit besetzt. Es ist auch mit Neugierde besetzt oder damit, dass Kinder einfach erleben: Es geht ihnen heute wieder besser.
Als wir dieses Spielzeug letztens im Großeinsatz hatten, da saßen Eltern mit ihren Kindern auf dem Teppich. Und ein vierjähriges Mädchen hat das Krematorium genutzt und immer wieder den Sarg hineingeschoben. Die Mutter saß daneben. Und dieses Kind war dabei ganz zufrieden, das zu machen. Die Mutter war ganz berührt und sagte: Es ist unglaublich, was Kindern so durch den Kopf geht. Die Eltern haben währenddessen miteinander geredet, haben sich mit meiner Kollegin darüber ausgetauscht, was alles möglich ist bei einer Beerdigung.
Es war eine Freiheit da. Es war Lachen da, es war Erzählen da, es war Ruhe da, es war Versunkenheit da. Ich denke, dass wir Angebote machen müssen, die uns berühren. Und Lachen ist nicht immer nur das Größte dabei. Sondern die Vielfalt der Gefühle ist einfach so wertvoll.