Kaum ein Land geht so routiniert mit dem Terror um wie Kolumbien: Kurz vor 17.00 Uhr Ortszeit explodierte am Samstag im Luxus-Einkaufszentrum "Centro Andino" in Bogota ein Sprengsatz. Schon wenige Stunden später veröffentlichen die kolumbianischen Medien die Namen der drei Todesopfer und der fast ein Dutzend Verletzten. Das rührt noch aus der Zeit, als im blutigen Drogenkrieg nahezu wöchentlich Bomben in dem südamerikanischen Land explodierten.
Europäische Datenschutzbeauftragte mögen sich bei einem solchen Vorgehen die Haare raufen, mit der Transparenz sollen aber vor allem jene Familien beruhigt werden, deren Angehörige sich zur Zeit des Anschlags in der Nähe des Tatorts aufhielten. Und das waren am Samstagabend in Bogota viele Tausend Menschen.
Ein Knall und viel Unruhe
Ein solches Vorgehen mag zwar aufkeimende Gerüchte in den sozialen Netzwerken ersticken, die Angst aber kann auch eine noch so transparente und schnelle Informationspolitik nicht besiegen. Das "Centro Andino" ist die wohl beliebteste Shopping-Mall im wohlhabenden Teil der kolumbianischen Hauptstadt. Gegenüber liegt die populäre Ausgehmeile "Zona T" mit ihren exklusiven Clubs und Restaurants, in die auch viele Touristen und Geschäftsreisende aus den nahe gelegenen Hotels strömen.
Ein deutscher Augenzeuge aus Berlin sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bogota: "Es gab einen großen Knall. Ich dachte zunächst, es handle sich um einen Unfall oder so etwas. Aber dann wurden wir aufgefordert, das Einkaufszentrum zu verlassen. Es gab keine Panik, aber je mehr Nachrichten eintrafen, desto größer wurde die Unruhe." Nach vorliegenden Erkenntnissen wurde der Sprengsatz in einer Damen-Toilette im zweiten Stock platziert, weshalb unter den Opfern fast ausschließlich Frauen sind.
Täter unbekannt
Es handelte sich um den zweiten schweren Anschlag innerhalb weniger Monate. Zu Jahresbeginn explodierte nahe der Stierkampfarena von Bogota eine Bombe, damals kam ein Polizist ums Leben, fast zwei Dutzend Menschen wurden verletzt. Nach der Attacke auf das Einkaufszentrum eilte Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos von der Atlantikküste an den Ort des Geschehens. Noch am späten Samstagabend verurteilte er den "feigen, niederträchtigen und grausamen Anschlag" und versprach, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Wer dahinter steckt, weiß allerdings zur Zeit noch niemand. In den sozialen Netzwerken wurde erst die linksgerichtete Guerilla-Organisation ELN, die sich derzeit mit der Regierung in Friedensverhandlungen befindet, mit dem Anschlag in Verbindung gebracht. Doch die ELN verurteilte den Anschlag sofort - ebenso wie die größte Guerilla-Gruppe des Landes, die FARC, die sich nach erfolgreichen Friedensverhandlungen gerade entwaffnet.
Bischof vermutet politischen Hintergrund
Präsident Santos warnte vor voreiligen Spekulationen. Der Vorsitzende der Kolumbianischen Bischofskonferenz, Erzbischof Luis Augusto Castro, vermutete im Sender Radio Blue trotzdem politische Hintergründe. Dies sei ein Schlag gegen den Friedensprozess. Jenen Friedensprozess, dem Papst Franziskus bei seinem Besuch in Kolumbien (6. bis 11. September) seinen Segen geben soll.
Wie ernst die Regierung den Anschlag nimmt, zeigt die Ankündigung von Santos, den Nationalen Sicherheitsrat einzuberufen. Sollte es tatsächliche einen politischen Hintergrund geben, könnte das Auswirkungen auf den ohnehin fragilen Friedensprozess im Land haben.
Wann kommt das Land zur Ruhe?
Santos beruhigte derweil seine Landsleute: Es gebe keine Hinweise für weitere Anschläge.
Bei dem Attentat in Bogota kam auch eine junge Frau aus Frankreich ums Leben. Julie H. arbeitete als Freiwillige in einer Schule im bettelarmen Süden der Stadt. Ihre Mutter hatte sie zum Abschuss ihres Aufenthaltes in Bogota besucht und wollte mit ihr nach Frankreich zurückkehren. Ihr gemeinsamer Ausflug in das Einkaufszentrum endete in einer Katastrophe. Mit der 23-jährigen Französin starb ein junger Mensch, der sich für einen nachhaltigen Frieden und ein Stück Gerechtigkeit in Bogota einsetzte.