In Sri Lanka geht Asiens längster Bürgerkrieg einem katastrophalen Finale entgegen

Eingekesselt und ausgehungert

Die srilankische Armee ist im Norden der Insel in die letzte Zone vorgedrungen, die von den tamilischen Rebellen besetzt wird. Innerhalb dieser nur 15 Quadratkilometer großen Zone sind nach Schätzungen bis zu 100.000 Zivilisten eingekesselt und dem Beschuss beider Seiten ausgeliefert. Agnes Tandler berichtet von grauenvollen Zuständen: "Die Menschen stehen dicht gedrängt wie eine Herde verängstigter Schafe in der glühenden Sonne."

Autor/in:
Agnes Tandler
 (DR)

Es sind Tausende, die auf einem winzigen Stück Strand an der Nordost-Küste Sri Lankas von bewaffneten tamilischen Rebellen eingekesselt sind. Satellitenbilder zeigen, dass die «Befreiungstiger von Tamil Eelam» (LTTE) nur noch diesen winzigen Streifen Land von rund zehn Quadratkilometern kontrollieren. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert droht der Bürgerkrieg zwischen Armee und Rebellen in einem blutigen Geiseldrama zu enden. Den Menschen im Kessel bleibt kaum eine Wahl: Entweder in der Hitze des Vormonsums zu verdursten - oder unter Todesangst zu versuchen, den Ring der LTTE zu durchbrechen.

Nach Armeeangaben haben der Sprecher der Rebellen, Daya Master, und ein weiteres führendes LTTE-Mitglied bereits ihre Waffen niedergelegt. Das nährt die Hoffnung auf ein baldiges Ende des schmutzigen Kriegs. Doch Zweifel bleiben. Die beiden LTTE-Männer gehörten nicht zu den Hardlinern. Und der oberste Rebellen-Chef Veluppillai Prabakhana hat noch kein Zeichen zur Kapitulation gegeben.

Der psychopatische Anführer ist für seine Brutalität berüchtigt. Offenbar treibt er Tausende Menschen bewusst in den Tod. In den nächsten Tagen könnten die eingeschlossenen Zivilisten am Strand verdursten - oder die Regierung rückt mit brutaler Gewalt zum letzten Schlag vor. Ein Gemetzel unter Palmen könnte die Geburtsstunde eines neuen Aufstandes der Tamilen in Sri Lanka werden. Darauf scheint der Rebellenführer zu hoffen.

Appelle des Weltsicherheitsrates an die Rebellen, ihre Waffen niederzulegen und die Zivilbevölkerung zu verschonen, sind bislang ungehört verhallt. Dabei könnte nur eine schnelle und vollständige Kapitulation der Rebellen, einschließlich ihres Anführers, die Zivilbevölkerung retten.

Der Konflikt hat seit Januar nach Angaben der Vereinten Nationen 4.500 Menschen das Leben gekostet. Die LTTE hat die Zivilisten im Krisengebiet in den letzten Monaten systematisch als menschliche Schutzschilder benutzt, um das Vorrücken der Armeetruppen zu erschweren. Die Regierung hungerte die Zivilisten über Monate hinweg aus, bis sie in ihrer Verzweiflung der Lebensgefahr trotzten und den Kessel der Rebellen durchbrachen - obwohl sich immer wieder tamilische Selbstmordattenäter inmitten der Gruppen von Fliehenden in die Luft sprengten. Die LTTE, die seit 25 Jahren in Sri Lanka für einen eigenen Tamilenstaat kämpft, gilt als Erfinder der Selbstmordattentate. Mehr als 30 Staaten stufen sie als Terrororganisation ein, darunter die EU und die USA.

Sowohl die Regierung als auch die «Tamil Tiger» hatten bislang wenig Interesse daran, die Zivilbevölkerung zu schützen. Für die Rebellen waren die Zivilisten nützlich als Deckung. Die Regierung muss nun befürchten, dass sich unter den Flüchtlingen auch einige LTTE-Kämpfer versteckt halten. Auch deshalb zeigte sie bislang wenig Einsatz, Menschenleben zu retten. Weder neutrale Beobachter noch Hilfswerke erhalten Zugang ins Kampfgebiet. Die Regierung will Negativschlagzeilen vermeiden und den Krieg nach eigenem Gusto führen können. Niemand kennt das wahre Ausmaß der Not.