Staatspräsident Christofias zu Erwartungen an den Papstbesuch

"Zypern ist zu klein, um geteilt zu sein"

Papst Benedikt XVI. reist Ende der Woche nach Zypern. Er besucht den südlichen Teil der Insel - der türkisch verwaltete Norden ist international nicht anerkannt. Der zyprische Präsident Dimitris Christofias begreift die politische Trennung der Insel als ein Thema des Papstbesuchs. Von ihm erwartet er ein Signal in Richtung Türkei.

 (DR)

KNA: Herr Präsident, Sie haben den Papst persönlich nach Zypern eingeladen. Was bedeutet sein Besuch für Sie?
Christofias: Es wird ein historisches Ereignis, und zwar nicht nur für Zypern, sondern für die ganze Region. Die große Mehrheit unserer Bevölkerung ist zwar orthodox, aber den Papst bei uns zu begrüßen, ist für uns eine große Ehre und Freude. Er wird hier Menschen treffen, die ihn und die katholische Kirche respektieren.

KNA: Sie haben Benedikt XVI. schon zweimal getroffen. Welche Themen haben Sie ihm dabei als wichtig für Zypern präsentiert?
Christofias: Da ist zum einen die ganze Problematik um die Zerstörung unseres Kulturgutes im Norden der Insel. Unter der türkischen Besatzung wurden Hunderte orthodoxer Kirchen zerstört und geplündert. Das Raubgut findet man auf dem Schwarzmarkt in der ganzen Welt. Von dieser Frage war der Papst sehr berührt. Ich glaube, es war einer der Gründe, warum er meine Einladung angenommen hat. Und zum anderen ist da natürlich die politische Frage der Trennung der Insel.

KNA: Glauben Sie, dass der Besuch des Papstes Einfluss auf die politischen Verhandlungen hat?
Christofias: Solch ein Besuch ist ein Signal in Richtung Türkei. Dort liegt der Schlüssel für die Lösung des Zypern-Problems. Wenn Ankara seine Haltung zu der Frage nicht ändert, gibt es keine Möglichkeit, das Problem zu lösen. Ich respektiere die Vertreter des Nordens und verhandle mit ihnen, aber jeder Zyprer weiß, dass hier ohne Erlaubnis der Türkei nichts passieren wird. Deshalb hoffe ich, dass der Besuch des Papstes bei uns Einfluss auf die türkische Führung haben wird.

KNA: Trotz der Konflikte leben auf Zypern unterschiedlichste Volksgruppen friedlich miteinander, manche bezeichnen das Land deshalb als eine "Insel der Seligen". Teilen Sie diese Ansicht?
Christofias: Zypern ist traditionell ein Land mit offener Mentalität. Unser orthodoxer Erzbischof Chrysostomos II. zum Beispiel ist sehr engagiert in der Ökumene und hat enge Beziehungen zum Vatikan. Ich selbst bin wohl ein echter Nationalist - aber als solcher glaube ich fest an Freundschaft und Brüderlichkeit innerhalb unserer multikulturellen Gesellschaft. Für mich sind etwa Maroniten, Armenier oder westliche Katholiken keine Fremden, sondern Geschwister.

KNA: Auch die türkischen Nordzyprer?
Christofias: Natürlich. Leider gibt es in unserem Land chauvinistische Kräfte, welche zusammen mit äußeren Mächten diese unakzeptable, tragische Situation der Trennung geschaffen haben. Zypern ist eine kleine Insel - zu klein, um geteilt zu sein. Aber sie ist groß genug, um allen Bürgern, egal welcher Sprache, Religion oder Kultur, Platz zu bieten. Wir haben eine gut funktionierende multikulturelle Gesellschaft. Wenn wir unser politisches Problem lösen würden, könnte Zypern ein echtes Vorbild für seine Nachbarn und andere Staaten in der Welt sein.

Das Gespräch führte Gaby Fröhlich.