Stanislaw Tillich - Sachsens erster ostdeutscher Ministerpräsident

Ein Sorbe im hohen Amt

Der CDU-Politiker Stanislaw Tillich ist neuer sächsischer Ministerpräsident. Der 49jährige wurde vom Landtag im ersten Wahlgang gewählt. Für Tillich stimmten in geheimer Abstimmung 66 Abgeordnete. Das bedeutet, dass offenbar ein Abgeordneter aus den Reihen der Großen Koalition Tillich nicht gewählt hat. Tillich ist Nachfolger von Georg Milbradt, der gestern nach sechs Amtsjahren seinen Rücktritt eingereicht hatte. Tillich ist Sorbe, ein kleines westslawisches Volk.

Autor/in:
Tino Moritz
 (DR)

In seine beiden neuen Spitzenämter hat sich Stanislaw Tillich nicht unbedingt gedrängt: Selbst bei der entscheidenden Runde führender sächsischer Unions-Politiker am 13. April im Hause des damaligen Partei- und Regierungschefs Georg Milbradt soll der CDU-Politiker zunächst noch gezögert haben, die Posten zu übernehmen. Sechseinhalb Wochen später steht der 49 Jahre alte Sorbe dann doch an der Spitze des Freistaats: Am Mittwoch wählte ihn der Landtag zum Regierungschef, am Samstag hatte er Milbradt bereits als CDU-Landeschef abgelöst.

Erstmals wird das Land damit von einem Ministerpräsidenten mit ostdeutscher Herkunft regiert. «Sachsen ist meine Heimat, das ist das Land, in dem ich seit 49 Jahren lebe», waren seine ersten Worte im neuen Amt - nachdem er den Eid mit der Schlussformel «So wahr mir Gott helfe!» auf Sorbisch beendet hatte.

Der CDU gehört der im ostsächsischen Neudörfel bei Kamenz geborene Tillich bereits seit 1987 an. Im März 1990 zog er in die erste und einzige frei gewählte Volkskammer der DDR. Ab 1991 fungierte der Diplomingenieur als Beobachter im Europäischen Parlament, bis er dort 1994 Mitglied wurde und als stellvertretender Vorsitzender des Haushaltsausschusses fungierte. Von 1992 bis 1999 war Tillich Mitglied des Vorstands der Europäischen Volkspartei (EVP). Nebenbei war der zweifache Familienvater von 1989 bis 1995 selbstständiger mittelständischer Unternehmer.

Im Oktober 1999 berief ihn der damalige Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) in sein Kabinett und ernannte ihn zum Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Bevollmächtigten des Freistaates beim Bund. Im Frühjahr 2002 trat Tillich unter Biedenkopf-Nachfolger Milbradt den Chefposten in der Staatskanzlei an. Im November 2004 wechselte er an die Spitze des Umweltressorts, bevor ihn Milbradt Ende September 2007 zum Finanzminister machte.

In dieser Funktion hatte Tillich bei seiner Hauptaufgabe, der Bewältigung des Debakels der Sachsen LB, als Neuling nichts zu verlieren - anders als seine Amtsvorgänger Horst Metz, Thomas de Maizière (beide CDU) und Milbradt. Die anhaltenden Querelen um die Sachsen LB verhalfen Tillich schließlich zum Sprung an die Regierungsspitze. Milbradt kündigte am 14. April seinen Rückzug von den Spitzenämtern an und schlug Tillich als Nachfolger vor. Anders als beim von Streit und Gezänk geprägten Übergang von Biedenkopf zu Milbradt in den Jahren 2001/2002 gestaltete sich der Führungswechsel dieses Mal äußerst glatt - was Tillich öffentlich Milbradt zuschrieb.

Dieser glatte Wechsel drückte sich auch in der Wahl am Mittwoch aus, die Tillich im Gegensatz zu Milbradt bereits im ersten Anlauf schaffte - wenngleich auch nicht mit allen Stimmen des Regierungslagers. Mindestens einer der 67 an der geheimen Wahl teilnehmenden Abgeordneten der CDU/SPD-Koaltion versagte ihm die Zustimmung.

Als Parteichef war Tillich hingegen ein glänzender Start geglückt: Mit 97,7 Prozent hatte er am Samstag auf dem CDU-Landesparteitag in Zwickau das zweitbeste Ergebnis aller CDU-Chefs im Freistaat erhalten. Einzig Kurt Biedenkopf übertraf dies 1993 mit 98,0 Prozent.

Am Freitag macht Tillich seinen Antrittsbesuch bei CDU-Chefin Angela Merkel im Bundeskanzleramt. In drei Wochen will er im Landtag seine erste Regierungserklärung abgeben - an jenem 18. Juni wird er auch sein neues Kabinett berufen. Mindestens drei neue CDU-Minister werden erwartet - Tillichs erste ernsthafte Bewährungsprobe in seinen neuen Ämtern.

Die Sorben
Die Sorben sind ein kleines westslawisches Volk. Sie gehören neben Dänen, Friesen sowie Sinti und Roma zu den vier in Deutschland anerkannten Minderheiten mit Sonderrechten. Ihre Heimat ist die Ober- und Niederlausitz in den Bundesländern Sachsen und Brandenburg. Rund 60.000 Menschen bezeichnen sich selbst als Sorben. Etwa drei Viertel sind protestantisch, ein Viertel ist katholisch.