Stationen der Geschichte der katholisch-orthodoxen Beziehungen

Benedikt und Bartholomaios auf den Spuren ihrer Vorgänger

Als Sternstunde der Ökumene zwischen Orthodoxen und Katholiken gilt die erste Begegnung Papst Paul VI. mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I. in Jerusalem 1964.
Beflügelt durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965), das die Türen weit zu den nichtkatholischen Kirchen und besonders zur Orthodoxie öffnete, konnte dieses historische Treffen zwischen den Nachfolgern der Apostel Petrus und Andreas vorbereitet werden.

 (DR)


Die zweite Sitzungsperiode des Konzils war mit der ungewöhnlichen Mitteilung des Papstes beendet worden, er werde Anfang Januar 1964 als Pilger ins Heilige Land reisen. Vom 4. bis 6. Januar dauerte diese Visite, in deren Verlauf es in Jerusalem zu der denkwürdigen Begegnung Paul VI. mit dem Ökumenischen Patriarchen kam. Der Papst ging Athenagoras entgegen, umarmte ihn und tauschte mit ihm den Friedenskuss.

Der Patriarch hob seinerseits in seiner Ansprache hervor, dass die christliche Welt seit Jahrhunderten in der Nacht der Trennung lebe: "Ihre Augen sind müde, ins Dunkel zu schauen. Möge diese Begegnung die Morgenröte eines lichtvollen und gesegneten Tages sein, in dem die künftigen Generationen an dem einen Kelch ... Christi teilhaben, und in der Liebe, in Frieden und in Einheit den einen Herrn und Erlöser verherrlichen...".

Die Begegnung im Heiligen Land beendete ein über 500-jähriges Schweigen zwischen Rom und den orthodoxen Kirchen. Im darauf folgenden Jahr 1965 wurde am 8. Dezember das Konzil feierlich beendet. Tags zuvor kam es zur Aufhebung der gegenseitigen Bannsprüche zwischen Rom und Konstantinopel. In der Peterskirche in Rom und in der St. Georgskirche im Phanar in Istanbul, dem Amtssitz des Ökumenischen Patriarchen, wurde gleichzeitig eine feierliche gemeinsame Erklärung verlesen. Die beiden Kirchenoberhäupter kommen darin überein, dass sie die gegenseitigen Bannsprüche "aus dem Gedächtnis und der Mitte der Kirche tilgen" und "dem Vergessen anheim fallen lassen". Ein wichtiges Symbol der bis heute andauernden Trennung von Ost- und Westkirche war nun beseitigt.

Den Grundstein für die neuen geschwisterlichen Beziehungen zwischen Rom und Konstantinopel hatte bereits Johannes XXIII.
gelegt. Er, der in den 30er Jahren als Vatikan-Botschafter in der Türkei wirkte, ermöglichte den 1964 eingeleiteten "Dialog der Liebe", der schließlich zur gegenseitigen Anerkennung als "Schwesterkirchen" führte.

Dieser wurde schließlich 1979 von Papst Johannes Paul II. und dem Patriarch Dimitrios I. in den großen theologischen "Dialog der Wahrheit" umgewandelt. Bereits ein Jahr nach seiner Wahl besuchte Johannes Paul II. im November 1979 Istanbul. In ihrer gemeinsamen Erklärung vom 30. November 1979 berufen sich Papst und Patriarch auf das versöhnende Wirken ihrer Vorgänger. Der Fortschritt in den Beziehungen beider Kirchen erlaube, den Beginn eines theologischen Dialogs zu verkünden. Ziel sei es, die volle Gemeinschaft zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche wiederherzustellen.

Eine Gemischte Internationale Kommission verabschiedete 1982,
1987 und 1988 Dokumente zu theologischen Fragen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs geriet der Dialog jedoch in eine Krise. Das Erstarken der mit Rom unierten Kirchen in Mittel- und Osteuropa sowie der immer neu erhobene Vorwurf einer Abwerbung von Gläubigen standen einer weiteren Aufarbeitung noch trennender Fragen im Weg.

Doch 1995, zum Fest Peter und Paul, kam es zu einer versöhnlichen Begegnung zwischen Johannes Paul II. und dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. in Rom. Beide bekräftigten ihren Willen zur Versöhnung. "Wir dürfen nicht weiter getrennt bleiben", so der Papst bei einem Gottesdienst im Petersdom. Die Erklärung, die zum Abschluss des Patriarchen-Besuchs im Vatikan veröffentlicht wurde, bestätigt die Übereinstimmungen, die es Katholiken und Orthodoxen erlaubten, "ein gemeinsames Zeugnis des Glaubens zu geben".

Trotz nicht zu leugnender Krisen besteht derzeit neue Hoffnung.
Im September wurde der lange unterbrochene theologische Dialog in Belgrad wieder aufgenommen. Zu den noch trennenden Fragen, die es aufzuarbeiten gilt, gehört auch der Jurisdiktionsprimat des Papstes.