Die Zäsur im Spanien der Post-Franco-Ära zeichnet sich schon seit Dezember deutlich ab: Mit einem zweistelligen Ergebnis zog die rechtspopulistische Partei Vox damals überraschend ins andalusische Regionalparlament ein. Es war das erste Mal seit Ende der Franco-Diktatur 1975, dass einer spanischen Rechtsaußen-Partei ein derartiger Erfolg gelang. Erstmals seit 36 Jahren wird Andalusien nun nicht mehr von Sozialisten regiert. Konservative (PP), Liberale (Ciudadanos) und Vox schlossen sich im Januar zu einer Minderheitsregierung zusammen.
Woher der Rechtsruck?
Die Wahl zum Nationalparlament am heutigen Sonntag könnte zu einem ähnlichen Szenario führen. Vox steht laut aktuellen Umfragen bei um die zwölf Prozent und bestimmt im Wahlkampf mit ihrem zentralen Slogan "Por Espana" (Für Spanien) weitgehend die Debatten. Aber wie konnte es dazu kommen? Vor kurzem war die junge politische Kraft noch nahezu bedeutungslos. Die 2013 von früheren Mitgliedern der Partido Popular gegründete Partei kam bei der Parlamentswahl 2016 auf gerade einmal 0,2 Prozent der Stimmen - trotz Wirtschaftskrise und großer Unzufriedenheit im Wahlvolk. Eine Entwicklung wie der Aufstieg der AfD in Deutschland schien in Spanien ausgeschlossen.
Doch die Vorzeichen haben sich geändert. Einen Grund sehen Beobachter nicht zuletzt in der Migrationspolitik der seit Juni 2018 amtierenden sozialistischen Regierung von Ministerpräsident Pedro Sanchez (PSOE). War Spanien zuvor für einen strikten Kurs bekannt, setzte Sanchez andere Signale. Im vergangenen Jahr gelangten so viele Bootsmigranten wie nie zuvor auf illegalem Weg in das südeuropäische Land. Ein Trend, der sich auch in diesem Jahr fortsetzte. Das kommt bei vielen Wählern nicht gut an, die eine Politik der offenen Grenzen ablehnen.
Kritik an Migrationspolitik
Für Vox und ihren telegenen Frontmann Santiago Abascal ist das eine Steilvorlage. Wiederholt prangerte der 43-jährige Baske, der auf Wahlkampfveranstaltungen wie ein Nationalheld gefeiert wird, eine Asylpolitik a la Angela Merkel an. Die Bundeskanzlerin schade Europa, "indem sie die Türen für massive Einwanderung und die Zerstörung der Souveränität der Nationalstaaten geöffnet hat", so der politische Ziehsohn des ehemaligen PP-Ministerpräsidenten Jose Maria Aznar.
Ginge es nach Abascal, so müssten illegal Eingewanderte und straffällig gewordene Ausländer sofort abgeschoben werden. Zudem will er mit harter Hand gegen einen "islamischen Fundamentalismus" vorgehen, der in der Gesellschaft um sich greife.
Anhänger im konservativ-katholischen Milieu
Doch Vox ist mehr als eine Ein-Themen-Partei. Die Rechtspopulisten punkten mit ihrem Einsatz für Vaterland, Brauchtum und traditionelle Familienwerte auch in konservativ-katholischen Milieus. So fordern sie mehr Unterstützung für kinderreiche Familien, eine stärkere Förderung katholischer Privatschulen und einen Schutz des menschlichen Lebens "von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod".
Viel Zuspruch erhält Vox darüber hinaus von Kräften, denen die Einheit Spaniens am Herzen liegt. So scharf wie keine andere Partei lehnt sie separatistische Bestrebungen wie in Katalonien ab. Stattdessen will sie Spanien zu einem straffen Zentralstaat umbauen.
Katholische Kirche sucht Verbündete
Die katholische Kirche tut sich sichtlich schwer mit dem Phänomen Vox. Einerseits werden die teils radikalen Forderungen der Bewegung um Abascal kritisch betrachtet. Andererseits gibt es erhebliche programmatische Schnittmengen, die den Bischöfen des Landes nicht verborgen geblieben sein können. Nicht wenige Kirchenvertreter erhoffen sich Beistand bei mehreren Konfliktthemen, die von der Regierung aufgeworfen wurden. Die Sozialisten würden Zigtausende spanische Gotteshäuser am liebsten verstaatlichen und steuerrechtliche Vorteile der Kirche abschaffen - ein Horrorszenario für viele Gläubige.
Der Bischof von Cordoba etwa machte aus seiner Erleichterung über die jüngste Wahlniederlage der Sozialisten in Andalusien keinen Hehl. Ohne Vox beim Namen zu nennen, äußerte sich Demetrio Fernandez "erfreut" über den Ausgang des Urnengangs im Dezember: Dank dieses "spektakulären" Resultats sei Andalusien zum "Vorreiter eines sozialen Wandels" geworden, auf den viele in Spanien warteten.