Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", gerade an den Festtagen sei es wichtig für alte Menschen, Kontakt zu ihren Kindern und Enkelkindern zu haben. Wichtig bleibe, "das Gefühl zu haben, noch zu einer Familie zu gehören in einer solch emotional dichten Zeit".
Warnung vor Isolation
Neher warnte vor den Folgen einer Isolation. "Das haben wir aus dem ersten Shutdown bitter lernen müssen: Man kann nicht alle Kontakte einfach abschneiden. Das hat für alte und pflegebedürftige Menschen katastrophale Folgen." Die Heime hätten seit März hart gearbeitet, um sich auf die nächste Welle vorzubereiten.
Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, warnte davor, Ältere an Weihnachten allein zu lassen. "Wir müssen die Balance finden in den Altenheimen. Mit zunehmendem Wissen über die Ansteckungswege haben wir alle gelernt, dass einige Maßnahmen zu Beginn der Pandemie in mancher Hinsicht überzogen waren", sagte er.
Niemand wolle, dass Menschen sterben, "aber man kann auch einen sozialen Tod sterben", meinte Bedford-Strohm. Er forderte die Politik zudem auf, alles zu tun, um Gottesdienste zu ermöglichen. Notfalls kämen diese auch draußen in Betracht. Dort sei das Risiko absolut minimiert. "Selbst unter verschärften Bedingungen ginge das." Die Kirchen hätten gezeigt, dass sie mit den Hygieneregeln verantwortungsvoll umgehen können.
Getrennt feiern?
Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus (CDU), kann sich hingegen auch Gottesdienste am Bildschirm vorstellen. "Wir werden Gottesdienste begehen, wir werden Gebete sprechen, auch wenn manches Zusammensein virtuell stattfinden muss", sagte er.
Landespolitiker äußerten indes die Sorge, dass Familien an Heiligabend und Weihnachten nicht wie gewohnt zusammen feiern könnten, sollten die Infektionszahlen weiter ansteigen. Der hessische Staatskanzleichef Axel Wintermeyer sagte der Zeitung, das Fest werde sich in diesem Fall "in einem engeren Rahmen abspielen müssen". Die Menschen "sollten wo immer möglich Kontakte reduzieren, auf Reisen verzichten, auf alles, was vermeidbar ist". Der Staatskanzleichef des Saarlandes, Henrik Eitel, hob hervor: "Schlimmstenfalls werden Familien ihre Besuche an den Weihnachtsfeiertagen aufteilen müssen."
Der Leiter des niedersächsischen Krisenstabes, Heiger Scholz, sagte: "Ich werde immer skeptischer, was an Weihnachten gehen wird und was nicht." Weihnachten könne ein Superspreading-Event werden, wenn es nicht gelänge, die Pandemie vorher zu bremsen. "Ich würde im Moment nicht darauf wetten, dass es überall große Weihnachtsmärkte gibt oder Weihnachtsgottesdienste." Der Leiter der bayerischen Staatskanzlei, Florian Herrmann, meinte: "Das Virus richtet sich nicht nach dem Kirchenjahr."
Angst vor der Isolation
Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, mahnte hingegen: "Es darf nicht noch einmal eine Totalisolation der Pflegebedürftigen in unserer Gesellschaft geben." Die Angst vor der Isolation sei oft größer als die Angst vor dem Virus. Natürlich gebe es auch die, die aus Angst vor einer Ansteckung gar keinen Besuch wollten. "Aber bei denen, die in der letzten Lebensphase sind, ist die Isolation oft das Schlimmste."