Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat dazu aufgerufen, die Annäherung zwischen evangelischer und katholischer Kirche zum Vorbild für Einheit in Europa zu nehmen."Europa baut sich auf aus der Vernunft der pragmatischen Schritte und daraus, dass es die Herzensangelegenheit derer ist, die Versöhnung und Verständigung anstreben, Ausgleich und Frieden – und nicht Hass und Abgrenzung, Wut und Aggression", sagte Steinmeier am Sonntagabend in der evangelisch-lutherischen Christuskirche in Rom.
Vieles geschieht in "selbstverständlicher Gemeinsamkeit"
In seinem Vortrag "500 Jahre Reformation: Europa zwischen Einheit und Vielfalt" verwies Protestant Steinmeier darauf, dass Katholiken und Protestanten nach Zeiten voller Polemik, Feindschaft und Gewalt längst zu einem guten Miteinander gefunden hätten.
Es gebe "nicht nur gemeinsame Gottesdienste, sondern sogar Ökumenische Kirchentage". Zudem geschehe in der sozialen und anderen alltäglichen Arbeit der Kirchen vieles "in selbstverständlicher Gemeinsamkeit".
Gemeinsam nach der Wahrheit suchen
Nicht nur für die Begegnung zwischen Konfessionen und Religionen sei es ganz wichtig, sich nicht ständig "die eigenen vermeintlichen Wahrheiten gegenseitig um die Ohren zu schlagen", ergänzte der Bundespräsident. Stattdessen müsse man gemeinsam nach der Wahrheit suchen: "Allein das geht nach vorne, in eine gemeinsame Zukunft."
In der Geschichte der ökumenischen Annäherung habe man den Begriff der "versöhnten Verschiedenheit" geprägt. Auch wenn man dazu einiges "kritisch bemerken" könne, halte er ihn doch für richtig: "Und ich finde, man könnte ihn, mit aller Vorsicht und ohne ihn überzustrapazieren, auf das komplizierte Gebilde des politischen Europa übertragen."
Er könne vielleicht manchen die Angst nehmen, "ein großes, allzu mächtiges, zentralistisches, uniformes Europa würde einzelnen Ländern, Regionen, Gemeinschaften ihre Identität nehmen".
Versöhnung als Grundlage für Einheit
Vielleicht könne "versöhnte Verschiedenheit" die Grundlage von Einheit sein, die in Europa möglich ist, betonte Steinmeier abschließend: "Das kann uns ermutigen, nun auch selbst, ob in Kirche oder Politik, unseren Teil zu tun: Zur Reform und zur Verbesserung der Zustände, wie sie in unseren Tagen und unter unseren Problemstellungen an der Zeit sind."
Am Montag wird der Bundespräsident seinen Antrittsbesuch bei Papst Franziskus machen und die katholische Gemeinschaft Sant'Egidio besuchen, die sich vor allem für den Frieden in aller Welt und für den Dialog der Religionen einsetzt. Der Bundespräsident ist selbst reformierter Christ und engagierte sich in der Vergangenheit unter anderem beim Deutschen Evangelischen Kirchentag.
Botschafterin Deutschlands im Vatikan, Annette Schavan, sehnt sich nach Fortschritten
Die ökumenischen Bemühungen der beiden großen christlichen Kirchen insbesondere anlässlich des Reformationsjubiläums würdigte auch die Botschafterin Deutschlands im Vatikan, Annette Schavan. Die Menschen insbesondere in Deutschland, dem Land der Reformation, sehnten sich aber auch nach weiteren Fortschritten in der Ökumene, sagte sie zur Begrüßung des Bundespräsidenten in der Christuskirche, in der Vertreter aus Kirchen, Kultur und der dortigen Gemeinde den Vortrag Steinmeiers hörten. Der Pfarrer der Gemeinde, Martin Kruse, sagte, 2017 biete die Chance für mehr Ökumene, "die wir nicht ungenutzt verstreichen lassen dürfen". Noch immer könnten konfessionsverschiedene Paare nicht gemeinsam zur katholischen Eucharistiefeier.
Die evangelische Kirche feiert noch bis Ende dieses Monats 500 Jahre Reformation. 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht, die er der Überlieferung nach am 31. Oktober an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nagelte. Der Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.