Steve Volke über die Besonderheiten der "Gerechtigkeitsbibel"

"Kein Buch für Egoisten"

An vielen Stellen der Bibel geht es um Armut und Gerechtigkeit. Die sogenannte "Gerechtigkeitsbibel" hebt mehr als 3000 solcher Verse hervor. Was es mit dieser Bibel auf sich hat, erläutert der Direktor des Kinderhilfswerks Compassion, Steve Volke.

Überarbeitete Einheitsübersetzung der Bibel / © Harald Oppitz (KNA)
Überarbeitete Einheitsübersetzung der Bibel / © Harald Oppitz ( KNA )

domradio.de: Hat die Gerechtigkeitsbibel etwas mit der herkömmlichen Heiligen Schrift zu tun?

Steve Volke (Direktor des christlichen Kinderhilfswerks Compassion Deutschland): Ja, natürlich – Es ist die Bibel. In einer modernen Übersetzung, aber als Christliche Hilfswerke haben wir uns zusammengeschlossen mit anderen Werken. Da wir auf der Grundlage der Bibel arbeiten, was für uns sehr wichtig ist, haben wir nachgeschaut, was die Bibel zum Thema Armut sagt. Das Ergebnis war sehr erstaunlich. Es gibt über 3.000 Stellen und Verse in der Bibel, die sich mit den Themen Armut und Gerechtigkeit beschäftigen.

domradio.de: 3.000 Bibelverse! Was zeigt uns das?

Volke: Das zeigt, dass es kein Nebenthema des christlichen Glaubens ist. Von Christen erwartet man im Allgemeinen, dass sie Nächstenliebe üben. Das ist in der Tat auch eines der Kernthemen, worauf Jesus auch sehr viel Wert gelegt hat: "Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst." Dies hat natürlich sehr viele Aspekte. Diese Aspekte werden deutlich durch die vielen unterschiedlichen Aussagen in der Bibel zum Thema Armut und Gerechtigkeit.

domradio.de: Um welche Zusammenhänge geht es denn meist, wenn in der Bibel von Armut die Rede ist?

Volke: Es geht meist um materielle Hilfe. Da wird deutlich gemacht, dass wir uns um die Armen kümmern sollen, wie zum Beipiel im Alten Testament bei Jesaja 58. Da ist eine ganz klare Aufforderung zu lesen: "Brich dem Hungrigen dein Brot und die ohne Obdach sind, führe ins Haus. Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn. Entziehe dich nicht deinem eigenen Blut."

Das ist eine ganz klare Aufforderung, sich um die Mitmenschen zu kümmern, ihnen Nahrung und Kleidung zu geben und für ihr Wohl zu sorgen. Das ist bitter nötig, angesichts von fast zwei Milliarden Menschen, die weltweit in Armut leben.

domradio.de: Diese Bibelstellen zum Thema Armut sind also ein Appell, sich nicht mit den Zuständen auf dieser Welt zufriedenzugeben?

Volke: Ja, zum einen, zum anderen geht es darum, den Blick für Andere zu bekommen; sich um sie zu kümmern und nicht nur für sich selbst zu leben. Die Bibel ist kein Buch für Egoisten. Sie hat eine ganz klare Tendenz uns dazu zu bringen, dass wir die Augen nicht vor der Lebenssituation Anderer verschließen, denen es schlechter geht als uns.

domradio.de: Beleuchten wir das Thema Armut von der anderen Seite, dem Reichtum. In der Bibel wird das grundsätzlich verdammt, zum Beispiel in der Bibelstelle: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in Gottes Neue Welt kommt." Oder Jesus sagt an vielen Stellen: "Wer mir nachfolgen will, muss all' sein Hab und Gut loswerden". Wie sieht es da aus? Wird Reichtum in der Bibel immer verdammt?

Volke: Nein, wird es nicht, sondern es wird eher als Aufgabe gesehen. Ich kann in der Bibel keine Verdammung von Reichen lesen, sondern vielmehr die Feststellung, sich nicht nur auf das Finanzielle zu konzentrieren, da man dadurch einen eher eingeschränkten Blick bekommt. Wie gesagt, wenn man das Geld nur für sich selbst einsetzt, dann ist man tatsächlich auf dem falschen Pfad. Das bedeutet wer Geld hat, hat auch immer eine Verantwortung.

Das ist sogar in Deutschland im Grundgesetz verankert und zwar durch die Formulierung: Eigentum verpflichtet. Wer viel hat, soll sich auch um andere kümmern, soll auch abgeben. Als Christen wissen wir, wenn man das tut, wird man nicht ärmer, sondern bekommt noch einen Aspekt ins Leben, den man sonst nicht hätte. Man wird letztendlich gesegnet, wie die Bibel sagt.

Das Gespräch führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR