Es war eine historische Reise, zu der Papst Franziskus Anfang Februar in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAR) aufbrach. Zum ersten Mal in der Geschichte betrat ein katholisches Kirchenoberhaupt die Arabische Halbinsel und damit die Wiege des Islam.
Als Höhepunkt der Reise unterzeichneten Franziskus und der Großimam der hoch angesehenen Kairoer Al-Azahr-Universität, Ahmed al-Tayyeb, bei einer interreligiösen Konferenz am 4. Februar das "Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen - Für ein friedliches Zusammenleben".
Was kann das Dokument bewirken?
Die Erklärung von Abu Dhabi betont den Wunsch beider Religionen, gemeinsam den weltweiten Frieden zu fördern, Glaubens- und Meinungsfreiheit zu respektieren und die Bürgerrechte im Sinne einer Gleichberechtigung aller Menschen zu verteidigen.
Das Dokument verurteilt Gewalt und Terror im Namen der Religion. "Denn Gott, der Allmächtige, hat es nicht nötig, von jemandem verteidigt zu werden; und er will auch nicht, dass sein Name benutzt wird, um die Menschen zu terrorisieren." Es wünscht einen interreligiösen Dialog, der die gemeinsamen Werte in den Mittelpunkt stellt und das Gute in der Welt verbreitet, statt "unnütze Diskussionen" zu führen.
Über ein Jahr dauerte die Ausformulierung des mehrseitigen Textes. Immer wieder ging er zwischen Rom und Kairo hin und her. Es gab früher schon ähnliche Erklärungen, doch diese ist sicher die symbolträchtigste, zumal von einem Papst unterzeichnet. Umso lauter stellt sich die Frage: Was kann das Dokument bewirken?
Komitee im Vatikan gegründet
Antworten darauf soll ein interreligiöses "Höheres Komitee für menschliche Brüderlichkeit" entwickeln, das am 11. September - bewusst an diesem Datum - im Vatikan gegründet wurde und vergangenes Wochenende sein erstes Arbeitstreffen in New York absolvierte. Dem aus acht Personen bestehenden Gremium gehören der Präsident des Päpstlichen Rates für Interreligiösen Dialog, Erzbischof Miguel Angel Ayuso, und Yoannis Lahzi Gaid, persönlicher Sekretär des Papstes, an.
Die Al-Azhar-Universität in Kairo wird unter anderem durch ihren Präsidenten Mohamed Husin Abdelaziz Hassan vertreten. Außerdem ist M. Bruce Lustig, Senior Rabbi der Washington Hebrew Congregation, dabei.
In New York präsentierten sie auch gleich ein erstes Projekt, das sie begleiten wollen: das "Abrahamic Family House", das Haus der abrahamitischen Familie. Das von Stararchitekt Sir David Adjaye entworfene Gebäudeensemble soll in Abu Dhabi stehen und eine Kirche, eine Synagoge und eine Moschee sowie ein Dialogzentrum umfassen - und "der ganzen Welt offenstehen", wie es hieß. Dabei sind die würfelartigen Gotteshäuser äußerlich kaum unterscheidbar und erinnern so im übertragenen Sinn ein bisschen an die drei Ringe aus Nathan der Weise.
Weitere Initiativen geplant
In den kommenden Jahren plant das Brüderlichkeits-Komitee weitere Initiativen, vor allem Dialogveranstaltungen bis hinauf auf Regierungsebene. Den Vereinten Nationen will es einen "Tag der menschlichen Brüderlichkeit" vorschlagen und womöglich Vertreter weiterer Religionen aufnehmen.
Damit sehen sich aber auch Kritiker bestätigt, die im Dokument von Abu Dhabi vor allem Symbolpolitik sehen, schönen Stoff für ohnehin wohlmeinende Eliten. Der Vorsitzende des "Zentralrats der Muslime in Deutschland", Aiman Mazyek, der in Abu Dhabi dabei war, sieht das anders. "Wir haben den Text an unsere Moscheegemeinden weitergeleitet und Handreichungen für die Predigten der Imame verfasst", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Was die Prediger daraus machten, bleibe allerdings ihnen überlassen.
Bischofskonferenz zuversichtlich
Weniger ermutigend klingt das Echo beim größten deutschen Moscheeverband, der türkisch-islamischen Ditib. "Von der Unterzeichnung des Dokuments haben wir über die Presse erfahren. Gegenstand weiterer Beratungen oder Gespräche war es jedoch nicht", hieß es knapp gegenüber KNA. Darin dürfte sich auch die politische Großwetterlage spiegeln. Erdogans Türkei steht an der Seite Katars, das die radikalen Muslimbrüder protegiert und mit den VAR verfeindet ist.
Optimistisch blickt die Deutsche Bischofskonferenz auf die Zukunft des Dokuments. Der Leiter ihrer "Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle" (CIBEDO), Timo Güzelmansur, geht davon aus, dass das christlich-islamische Gespräch künftig kaum an der Erklärung vorbeikommt. Dies betreffe vor allem ihre Aussagen zur Religionsfreiheit und gleichen Bürgerrechten - auch in islamischen Ländern. Dann könnte das Dokument "zu einem Meilenstein für den interreligiösen Dialog werden".