Im Jargon der Stadtplaner dürfte das Quartier an der Gathe in Wuppertal wohl als "Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf" bezeichnet werden. Schmucklos führt die zentrale Einfallstraße von der A 46 in Richtung Elberfelder Innenstadt: Wettbüros, Döner-Imbisse, Frisörläden, Fitnessstudios, Tattoo-Studios und Kneipen prägen das Bild. Leicht übersehen wird dabei das Gemeindezentrum der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib), das sich dort befindet.
Die Elberfelder Ditib möchte nun nach eigenen Angaben etwas für die Aufwertung des Stadtteils und die Integration im Viertel tun und plant für 30 Millionen Euro den Neubau des Gemeindezentrums. Auf einem etwa 6.000 Quadratmeter großen Gelände gegenüber dem jetzigen Standort sollen unter anderem eine Moschee, eine Kita sowie Wohnhäuser für Senioren und Studenten entstehen.
Planungen seit 2009
Die Planungen für den Bau laufen bereits seit dem Jahr 2009, die Stadtverwaltung steht grundsätzlich hinter den Plänen, wohl wissend, dass die Ditib aufgrund ihrer Nähe zum türkischen Staat umstritten ist. Allerdings gibt es seit Jahren ein Problem, das den Umzug der islamischen Gemeinde im Kern verhindert: Auf dem geplanten Bauareal befindet sich ein Autonomes Zentrum. Die Autonomen, die über Submietverträge das Gebäude der Stadt nutzen, lehnen einen Umzug bislang vehement ab.
Der Stadtrat Wuppertal hat nun auf ihrer Sitzung am Montagabend grünes Licht für den Bau der Moschee gegeben. Mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, Grünen, FDP und Teilen der SPD votierten die Ratsmitglieder für den Zielbeschluss zum Bau des islamischen Gemeindezentrums der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) im Stadtteil Elberfeld. Das neue Zentrum soll gegenüber dem bisherigen Standort der Gemeinde entstehen. Baurecht soll bis 2025 gegeben sein. Städtische Gelder sind nach Angaben einer Stadtsprecherin für den Bau des Gemeindezentrums nicht vorgesehen.
Nähe zur türkischen Regierung?
Der Bau des Gemeindezentrums ist umstritten, weil dem Bauherrn Ditib eine besondere Nähe zur Türkei und Einflussnahme durch die türkische Religionsbehörde Diyanet vorgeworfen werden. Vertreter der Wuppertaler Ditib-Gemeinde bestreiten dies und weisen unter anderem darauf hin, dass sie wichtige Integrationsarbeit im Quartier leisten.
Die Stadtverwaltung unterstützt das Bauvorhaben - unter anderem mit Verweis auf die gute Zusammenarbeit mit der islamischen Gemeinde vor Ort. Dennoch gab es von Anwohnern Kritik an den Plänen, ein Architektenverband sprach sich für ein Wettbewerbsverfahren aus.
Das Gebäude auf dem avisierten Baugelände, in dem sich das Autonome Zentrum (AZ) befindet, gehört der Stadt, die sich dafür einsetzt, dass die Betreiber des AZ an einen anderen Standort umziehen. Dies lehnen die Verantwortlichen des AZ aber bislang ab und erklären, dass ihnen die Stadt keinen adäquaten Alternativstandort angeboten habe. "Ein ernsthaftes Angebot der Stadt fehlt noch", sagte Daniel im Namen des AZ dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das AZ habe seit Jahrzehnten seinen Standort an der Gathe, deshalb wehre man sich gegen den Zwang zum Umzug. Sollte die Stadt auf einem solchen Schritt bestehen, werde man für "massive Proteste sorgen".
Autonome gegen Moscheebau
Zur Stadtratssitzung am Montagabend hatten die Autonomen zu Protesten eingeladen. Die Sitzung verlief nach städtischen Angaben ohne Zwischenfälle, da sich die Kundgebung der AZ-Sympathisanten auf den Vorplatz des Rathauses beschränkte. Weitere Proteste gegen einen möglichen Umzug hat das AZ bereits angekündigt. Die Autonomen wenden sich mit ihrer Kritik gegen das "Wahlkampfgeschenk für Erdogan".
Offenbar sei den "politisch Verantwortlichen der Stadt Wuppertal jegliches Problembewusstsein der Ditib abhandengekommen zu sein", erklärte das AZ Anfang Februar. Das "Aufmotzen" der Gathe mit einer Millionensumme werde "an den dringenden Problemen der meisten Menschen an und rund um die Gathe wenig bis gar nichts ändern".
Bei der Stadtverwaltung setzt man auf Dialog. Es gehe darum, einen "Spagat" zu finden, erklärt der Wuppertaler Sozialdezernent Stefan Kühn. Der Wunsch der Ditib-Gemeinde nach einem neuen Zentrum sei berechtigt, zugleich wolle man auch für das AZ einen neuen Standort finden, deshalb setze man weiter auf Gespräche mit allen Seiten, betont der SPD-Politiker.
"Vertrauensvolles Verhältnis"
Den Vorwurf, man unterstütze mit dem Vorhaben den türkischen Islamismus in Deutschland, lässt Sozialdezernent Kühn nicht gelten: Zu der Ditib-Gemeinde vor Ort habe man "ein vertrauensvolles Verhältnis". In das geplante Bauvorhaben fließe kein Geld der türkischen Regierung. Die jüngste Kritik der AZ-Vertreter bezeichnet der Sozialdezernent als "unangemessen".
Gleichwohl gibt es unter Islamexperten durchaus Kritik an einem zu wohlwollendem Umgang der Kommunen mit den lokalen Ditib-Gemeinden, so wird den Städten etwa "Naivität" vorgeworfen.
Mittlerweile steht das AZ Wuppertal mit der Kritik an dem Bauprojekt nicht mehr allein da. Die Zahl der kritischen Stimmen ist gewachsen: So sprach sich etwa die Quartiersinitiative "Forum Mirke" für den Erhalt des AZ-Standortes aus, der Bund Deutscher Architekten in Wuppertal forderte einen Gestaltungswettbewerb.
Frustriert ist man in der Elberfelder Ditib-Gemeinde. "Die Politiker hier kennen uns doch schon seit Jahren", sagt Gemeindevorstand Mustafa Temizer. In der Diskussion um den Neubau würden "ideologische Dinge" vorgeschoben, um das Vorhaben zu torpedieren. Dabei sei man unabhängig von der Türkei, sagt er. Die Gemeinde repräsentiere einen nach deutschem Recht gegründeten Verein und leiste - in Abstimmung mit dem Dachverband der Ditib - wichtige Integrationsarbeit vor Ort. Für das Bauvorhaben würden keine staatlichen Gelder aus der Türkei fließen, die Investitionssumme von 30 Millionen Euro solle durch Spenden und "über Betriebsmodelle finanziert" werden - also durch Partner, die sich in das Projekt einkaufen.
Für Ende April lädt das AZ unter dem Motto "AZ Wuppertal bleibt an der Gathe" zu einem "wilden Tanz-Kampf-Wochenende" ein. Dann soll auch das 50-jährige Bestehen des Zentrums gefeiert werden - mit einem standesgemäßen Abschluss zum 1. Mai.