Streit um Migrationspakt – Unionspolitiker fordern Themenwechsel

Verschwörungstheorien und Kommunikationspannen

Der Streit um Migration und Flüchtlinge ist zurück. Die Union liefert sich heftige Debatten um den UN-Migrationspakt. Prominente Politiker sind entsetzt: CDU und CSU müssten sich anderen Themen zuwenden.

Autor/in:
Christoph Arens
Ein Beamter der Guardia Civil trägt ein Flüchtlingskind in einem Sportzentrum in Los Barrios / © Marcos Moreno (dpa)
Ein Beamter der Guardia Civil trägt ein Flüchtlingskind in einem Sportzentrum in Los Barrios / © Marcos Moreno ( dpa )

"Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los." Den verzweifelten Ausruf des Zauberlehrlings in Goethes Gedicht dürfte derzeit wohl so mancher Christdemokrat und Christsoziale auf den Lippen haben. Seit Tagen lässt der Streit um den UN-Migrationspakt die Union nicht los. Es geht weniger um Inhalte als vielmehr um Stimmungen. Am Wochenende mahnten prominente Parteivertreter einen Themenwechsel an.

Vor allem Jens Spahn hat das Fass wieder aufgemacht, nachdem es wochenlang so aussah, als könnte sich die Politik nach den Chaoswochen im Sommer wieder anderen Themen zuwenden. Spahn legt sich inhaltlich zum Migrationspakt gar nicht wirklich fest. Er macht sich aber zum Sprecher eines vermeintlichen Unbehagens in der Bevölkerung.

"Der fatale Eindruck"

Es sei "der fatale Eindruck entstanden, die Regierung habe etwas zu verheimlichen", kritisiert er. Das Thema müsse "gemeinsam mit der Bevölkerung" geklärt werden. Andernfalls entstehe "der Keim für einen weiteren massiven Vertrauensverlust". In Internetforen ist davon die Rede, dass Deutschlands Souveränität und Identität durch den Pakt in Gefahr sei. Betreibt der Gesundheitsminister das Geschäft der Populisten? Zumindest nutzt er das Thema zur Mobilisierung im Bewerbungsmarathon um den CDU-Vorsitz.

Friedrich Merz zog mit Äußerungen zum Asylrecht nach. Annegret Kramp-Karrenbauer dagegen bekannte sich eindeutig zum UN-Migrationspakt. Dieser sei "wichtig für uns, weil er auch die Herkunftsländer in die Verantwortung nimmt", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Und weiter: "Wir dürfen uns nicht aus Angst vor Populisten zurückhalten."

Null-Toleranz-Politik

Offenkundig ist nach Meinung von Beobachtern aber auch, dass das Thema nur deshalb so hoch kochen konnte, weil es innerhalb der Bevölkerung seit 2015 einen starken Vertrauensverlust in Sachen Flüchtlinge und Migration gibt. Das Problem des Pakts ist weniger der Inhalt, sondern mehr das Zustandekommen.

Mancher in der Union rauft sich deshalb die Haare. Am Wochenende häuften sich die Stimmen prominenter Christdemokraten, die um das Ansehen der Union fürchten. CDU-Vizechef Armin Laschet mahnte: "Das Migrationsthema so hochzuhängen, war nicht klug." In der "Welt" empfahl der Ministerpräsident seiner Partei, auf andere Themen zu setzen – die innere Sicherheit etwa oder eine "Null-Toleranz-Politik gegenüber Kriminellen, gleichgültig welcher Herkunft sie sind".

Verfechter des Abkommens

Auch der Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus (CDU) warnte seine Partei: "Generell sollten wir aufpassen, dass nicht die Flüchtlingspolitik die nächsten zwei Wochen bis zum Parteitag dominiert", sagte er "Focus Online". Die Zukunft hänge stärker von Themen wie der Digitalisierung ab. Selbst Bundesinnenminister Horst Seehofer und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (beide CSU) verteidigten den Pakt.

"Ich bin ein Verfechter dieses Abkommens. Es wird helfen, Schleuserkriminalität einzudämmen und die Rückführung in die Herkunftsländer zu erleichtern", sagte Seehofer dem "Spiegel". "Wenn wir bei diesem Thema dem Druck der AfD nachgeben, gibt es das nächste Mal kein Halten mehr." Söder sprach von "Verschwörungstheorien" und räumte Kommunikationsfehler ein.

Bekämpfung von Fluchtursachen

In der Katholischen Akademie in Berlin verteidigte am Sonntag auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble den Pakt gegen Kritik. Vielleicht sei er nicht in allen Punkten perfekt – "wie immer bei solch' großen Abkommen". Er enthalte aber keine Verpflichtung, "zu der wir nicht ohnehin verpflichtet sind".

Auf ihrer Homepage hat die CDU eigens "Fragen und Antworten zum UN-Migrationspakt" eingestellt. "Der Pakt ist kein völkerrechtlicher Vertrag. Er ist rechtlich unverbindlich", werden die Parteimitglieder beruhigt. Die Übereinkunft sei im deutschen Interesse, weil sie "einen größeren Beitrag bei der Reduzierung der illegalen Migration und bei der Bekämpfung von Fluchtursachen" leiste.

"Fragen und Risiken"

Auf dem konservativen Flügel der Union trifft der Pakt dennoch weiter auf heftigen Widerstand. Peter Ramsauer (CSU) berichtete von "Unbehagen" in der gesamten Fraktion. "Die weiterhin ungeklärten Fragen und Risiken dieses Abkommens zwingen die CDU dazu, sich klar gegen den Migrationspakt zu positionieren", sagt Alexander Mitsch, Vorsitzender des konservativen Sammelbeckens "Werte-Union". Mitsch will daher auf dem Parteitag einen Initiativantrag einbringen, um die Bundesregierung aufzufordern, den Pakt nicht zu unterzeichnen.

Vermutlich wird auch die Unionsfraktion in dieser Woche über eine Erklärung zu dem Pakt abstimmen. Wie die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichtet, will sie die Bundesregierung zu einer diplomatischen Klarstellung auffordern, dass das Abkommen Deutschland keine neuen Verpflichtungen auferlege und auch keine neue Rechtslage entstehe.

Die katholische Kirche hat unterdessen den Pakt verteidigt als einen Rahmen für sichere, geordnete und legale Migration. Diese lasse sich heute nicht mehr alleine national regeln und steuern. Auch in praktischer Hinsicht könne er Fortschritte bringen.


Quelle:
KNA