Streit um Missbrauchsstudie dauert an

Unversöhnliche Ex-Partner

Das Scheitern der gemeinsamen Missbrauchsstudie beschäftigt weiterhin beide Seiten: Der Kriminologe Christian Pfeiffer will eine Unterlassungserklärung der Bischofskonferenz nicht unterzeichnen, die Kirchenvertreter bekräftigten ihre Kritik.

 (DR)

"Wir werden jetzt das Gespräch mit anderen möglichen Projektpartnern suchen", sagte der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger, Bischof Stephan Ackermann, den Zeitungen der Essener WAZ-Mediengruppe (Samstagsausgaben). Nach dem Scheitern der Kooperation mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer hätten sich inzwischen bereits Interessenten für das Forschungsprojekt gemeldet, sagte der Trierer Bischof weiter. Die Zensur-Vorwürfe wies Ackermann zurück. "Es ging nicht um Zensur, wie er aus einem Vertragsentwurf herauslesen will, sondern es geht uns um wissenschaftliche Aufarbeitung, die den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte in dem notwendigen Maß wahrt", sagte der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger.

Zugleich erhob Ackermann schwere Vorwürfe gegen Pfeiffer. Dieser habe "in seiner sprunghaften Kommunikation und in seiner dominanten Art immer wieder für neue Irritationen gesorgt". Dadurch sei es "zu einer wachsenden Entfremdung" gekommen.

Pfeiffer bedauert – und legt nach

Der Kriminologe Christian Pfeiffer machte im Gespräch mit der Katholischen Nachrichtenagentur unterdessen deutlich, dass er die "strafbewehrte Unterlassungserklärung", die ihm die Deutsche Bischofskonferenz zugestellt hatte, nicht unterzeichnen werde. Mit dem Schreiben will die Bischofskonferenz erwirken, dass Pfeiffer den Vorwurf der Zensur nicht mehr äußert. Die darin gesetzte Frist war am Donnerstagmittag abgelaufen. Pfeiffer macht geltend, dass die Unterlassungserklärung in nicht rechtsgültiger Form zugestellt worden sei.

In dem Gespräch bedauerte der Kriminologe, dass er und die Bischofskonferenz sich zuletzt "so destruktiv beharkt" hätten. Er habe insbesondere den Missbrauchsbeauftragen, Bischof Stephan Ackermann, und den Sekretär der Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, als faire und ehrlich um Aufklärung bemühte Kirchenvertreter kennengelernt. Allerdings gebe es offenbar Kräfte in der Kirche, die Angst vor Aufklärung hätten. Pfeiffer appellierte an die Kirche, zur Fortsetzung der wissenschaftlichen Arbeit eine Kommission aus renommierten Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen ins Leben zu rufen, um Glaubwürdigkeit wieder herzustellen. Sein Institut sei bereit, Vorarbeiten dafür zur Verfügung zu stellen.

Der Kriminologe erneuerte zugleich den Vorwurf der Zensur und begründete diesen damit, dass die Kirche als Auftraggeber der Studie die Verfügungsgewalt darüber habe behalten wollen, was wie veröffentlicht werde und ob die Erkenntnisse auch durch Doktorarbeiten und Habilitationen weiter verwertet werden dürften. Zugleich wiederholte er seinen Vorwurf der Aktenvernichtung. Er habe seriöse Informationen aus mehreren Diözesen, dass aus Anlass des Forschungsprojekts Schriftstücke vernichtet worden seien. Das widerspreche möglicherweise nicht dem Kirchenrecht, vereitele aber das mit der Kirche verabredete Ziel der Untersuchung.

Kritik – auch an der Kritik

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bezeichnete das Scheitern der Studie über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche als "bedauerlich und tragisch" bezeichnet. Er gehöre zwar "nicht zu denen, die Zweifel am ehrlichen Aufklärungswillen der katholischen Kirche" hätten, sagte Lammert am Freitagabend in Neuss. Das Scheitern der Studie mache es allerdings für die Kirche viel schwieriger, den überzeugenden Eindruck zu machen, ihr sei an der Aufklärung der Missbrauchsfälle wirklich gelegen.

Die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann mahnte eine zügige rückhaltlose Aufklärung an. Die Grünen-Politikern bezeichnete das Ende der Zusammenarbeit von Bischofskonferenz und dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) als einen herben Rückschlag. Die Kirche müsse ein Beispiel für eine klare Aufarbeitung von Kindesmissbrauch geben, sagte Löhrmann, die seit November Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist, am Freitag in Düsseldorf.

Der Essener Wissenschaftler Norbert Leygraf, der ebenfalls mit der katholischen Kirche für eine Studie zum sexuellen Missbrauch zusammengearbeitet hat, hält die Vorwürfe Pfeiffers gegen die Bischöfe für überzogen. "Möglicherweise hat er, um diesen publicityträchtigen Projektauftrag zu erhalten, die Problematik unterschätzt, einem Außenstehenden unbeschränkten Einblick in die Personalakten eines solchen Unternehmens zu geben", sagte der Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen am Freitag.

Auch bei seiner Untersuchung hätten sechs Bistümer nicht mitgemacht, sagte Leygraf. "Die restlichen 21 Bistümer waren aber meiner Einschätzung nach sehr kooperativ", ergänzte er. Es habe niemand versucht, auf den Abschlussbericht Einfluss zu nehmen. Auch bei einer noch geplanten Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift habe sein Team "freie Hand", sagte der Mediziner.

Die katholische Kirche hatte am Mittwoch die Zusammenarbeit mit dem Institut gekündigt, das eine umfangreiche Studie zur Aufklärung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche erarbeiten sollte. Als Grund wurde ein "zerrüttetes Vertrauensverhältnis" genannt. Der Kriminologe Christian Pfeiffer hatte den Bischöfen vorgeworfen, seine Forschung zensieren und über Veröffentlichungen entscheiden zu wollen.


Quelle:
KNA , epd , DR