Streit um §219a Strafgesetzbuch

Ein Kompromiss scheint möglich

Seit etlichen Wochen wird über den Paragrafen 219a debattiert, der Werbung für Abtreibung verbietet. Doch die politischen Fronten sind nicht mehr so klar, wie es zunächst schien.

Autor/in:
Birgit Wilke
 Der Gesetzestext des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch behandelt Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft / © Harald Oppitz (KNA)
Der Gesetzestext des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch behandelt Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft / © Harald Oppitz ( KNA )

Abschaffen, reformieren oder einfach beibehalten? Noch vor einigen Wochen schien die Antwort klar zu sein: Nachdem im vergangenen November in Gießen eine Ärztin verurteilt worden war, weil sie auf ihrer Homepage auch das Durchführen von Abtreibungen als Dienstleistung angab, organisierte sich in kurzer Zeit ein Protest gegen die Gerichtsentscheidung: Nicht nur Frauenrechtler demonstrierten für die Abschaffung des Paragrafen 219a, nach dem die Ärztin verurteilt worden war und der ein Werbeverbot für Abtreibungen vorsieht.

Auch die Parteien positionierten sich: Zunächst waren es Abgeordnete der Grünen und Linken, die der Ärztin den Rücken stärken wollten und mit einem Mal die Chance sahen, den aus ihrer Sicht veralteten Paragrafen 219a ganz zu streichen. Er sei "schlicht und einfach falsch und muss weg", meinte etwa die Grünen-Abgeordnete Renate Künast. Auch die SPD sprach sich für eine Streichung aus. Die Gegner dieser Position – vor allem aus den Unionsreihen – warnen davor, den mühsam erzielten Kompromiss in der Abtreibungsfrage wieder infrage zu stellen. Und damit auch Paragraf 218, der besagt, dass ein Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig ist, aber unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt.

"Alte Verwerfungen"

Die katholische Kirche plädiert ebenfalls dafür, nicht am Schutzkonzept zu rütteln und durch eine Streichung von Paragraf 219a "eine wichtige Säule daraus herauszubrechen", wie es die stellvertretende Leiterin des katholischen Büros, Katharina Jestaedt, formuliert. Sie sieht die Gefahr, dass bei einem Wegfall "alte Verwerfungen" wieder aufleben und ein Abbruch mehr und mehr zu einer "normalen" Dienstleistung des Arztes wird. 

Nach der Ersten Lesung dreier Gesetzentwürfe im Bundestag in der vorigen Woche könnte es nun auf einen Kompromiss hinauslaufen: Zwar setzen sich die Grünen und Linken in ihren Entwürfen für eine Streichung ein, die FDP hingegen macht sich dafür stark, Werbung nur dann zu verbieten, wenn sie "in grob anstößiger Weise erfolgt". Und die SPD, die ebenfalls einen Gesetzentwurf einbringen wollte, zog diesen zurück, weil sie – auch im Hinblick auf eine mögliche Große Koalition – auf eine Einigung mit der Union hofft. So sprach die SPD-Abgeordnete Eva Högl von "einem sensiblen und schwierigen Thema".

Sie warb für eine fraktionsübergreifende Initiative, bei der dann der Fraktionszwang aufgehoben wird. Demgegenüber sind die zivilgesellschaftlichen Fronten starr: Unerbittlich stehen sich hier die Vertreter eines Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung und die Lebensschützer gegenüber. Während das Bündnis unter dem Hashtag #wegmit219 die Streichung fordert und die Unterstützer sich gerne mit Klebeband vor dem Mund präsentieren, sind die Lebensschützer gegen eine Änderung und durchforsten das Internet nach Adressen von Ärzten, die einen Abbruch auf ihrer Homepage anbieten.

 

 


Quelle:
KNA