Auch wenn die Kritik hoher Kirchenführer in erster Linie den Äußerungen des deutschen Kardinals Walter Kasper zum Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene gilt: Eigentliches Ziel sei letztlich Papst Franziskus mit seiner neuen Offenheit, den Reformen und dem Aufruf zur Barmherzigkeit, heißt es in Rom.
In der Tat häuft sich die Kritik, seit Kasper am 21. Februar auf Einladung des Papstes vor dem Konsistorium über das Thema der nächsten Bischofssynode - die Familie - sprach und dabei vor allem Fragen stellte. Mit Blick auf einen Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene bekräftigte er das Prinzip der Unauflöslichkeit der Ehe und lehnte eine zweite Ehe ab, solange der erste Partner noch lebt.
Aber er regte zu einem Nachdenken über bestimmte Einzelfälle an: wenn Menschen nach einer Ehe ihr Scheitern erkannt hätten, wenn sie sich bekehrten, keine Verpflichtungen mehr aus der früheren Verbindung hätten, wohl aber aus der neuen, und wenn sie sich ernsthaft nach der Eucharistie sehnten. Das betreffe keinesfalls die Masse der Geschiedenen und zivil Wiederverheirateten, sondern allenfalls einen kleinen Teil, so Kasper.
Kontroverse Diskussion seit Februar
Schon in der Synodenaula ergab sich eine kontroverse Diskussion. Während der Papst den Vortrag ausdrücklich lobte und etliche Bischöfe sich ihm anschlossen, äußerten andere Teilnehmer Kritik, auch nachfolgend in Interviews, Zeitschriftenartikeln und Büchern.
Kardinal Carlo Caffarra von Bologna etwa warnte davor, die Unauflöslichkeit der Ehe anzutasten, indem man Geschiedene zur Eucharistie zulasse. Entscheidungen von Fall zu Fall dürfe es nicht geben, da sie einer Segnung der Scheidung gleichkämen. Barmherzigkeit dürfe nicht mit "Heuchelei" verwechselt werden, meinte er.
Auch der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, sieht keinen Spielraum für Änderungen im kirchlichen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. Eine Zulassung zur Kommunion sei nicht möglich, weil sie dem Dogma von der absoluten Unauflöslichkeit der Ehe widerspreche, betonte er im Juli in einem Interview. Zugleich wandte er ein, dass möglicherweise viele Ehen ungültig seien, weil sich die Eheleute zum Zeitpunkt der Trauung nicht über deren lebenslang bindende Bedeutung bewusst gewesen seien.
Anfang Oktober erscheint Buch von fünf Kardinälen
Caffarra und Müller gehören zu den fünf Kardinälen, mit deren Beiträgen zum 1. Oktober ein Buch "In der Wahrheit Christi bleiben - Ehe und Gemeinschaft in der katholischen Kirche" erscheint. Weitere Artikel stammen vom deutschen Kardinal Walter Brandmüller, vom US-Amerikaner Raymond Leo Burke und vom früheren Wirtschaftspräfekten Velasio de Paolis.
Aber sie sind nicht die einzigen. Kaum war das Buchprojekt publik, veröffentlichte die Zeitung "La Stampa" am Donnerstag einen Beitrag des Mailänder Kardinals Angelo Scola, der Nein zu einem Kommunionempfang für diese Personengruppe sagte und stattdessen zu einer Verschlankung der Ehenichtigkeitsverfahren riet. Ähnlich äußerte sich der australische Kardinal und vatikanische Wirtschaftssekretär George Pell. "Lehre und pastorale Praxis dürfen sich nicht widersprechen", schrieb er in einem Vorwort. Daher könne man nicht gleichzeitig die Unauflöslichkeit der Ehe bewahren und Wiederverheirateten den Kommunionempfang gestatten.
Die Diskussion erweckt den Eindruck, als ginge es bei der am 5. Oktober beginnenden Synode einzig um die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen. Der Themenfächer der "pastoralen Herausforderungen der Familie" ist jedoch bedeutend breiter: neue Formen von Zusammenleben, Patchwork-Familien, Ehen ohne Trauschein, Probleme der Alleinerziehenden, aber auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften und das Thema Scheidung. Weiter geht es um die Auswirkung der Berufstätigkeit auf die Familie, um den Einfluss infolge von Migration und um die Folgen von Konsumismus und Individualismus. Nach den Diskussionen im Vorfeld muss sich die Debatte nun in die Synodenaula hineinverlagern.