In Kolumbien ist die Bevölkerung trotz des Friedensprozesses und des Waffenstillstands mit der Farc-Guerilla nach wie vor einem hohen Ausmaß an Gewalt ausgesetzt. Die Gewalt geht inzwischen zumeist von bewaffneten kriminellen Gruppen aus, wie eine am Donnerstag veröffentlichte Studie der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" belegt. Dadurch habe die Zahl von Drohungen, gezielten Tötungen, Entführungen und des Verschwindens von Menschen stark zugenommen.
Studie basiert auf Daten von Gewaltopfern
Der Bericht "Im Schatten des Friedensprozesses" basiert auf Daten von Psychologen, die 2015 und 2016 in den Städten Buenaventura und San Andrés de Tumaco im Westen des Landes Gewaltopfer betreuten. Viele der Patienten litten demnach unter Depressionen, Angstzuständen und posttraumatischen Belastungsstörungen.
Besonders Frauen litten unter der Gewalt und ihren Folgen, berichtete die Psychologin Brillith Martinéz von "Ärzte ohne Grenzen". Die meisten ihrer Patientinnen seien sexuell missbraucht worden. Die Hilfe für Opfer sexueller Gewalt sei unzureichend und komme in über 90 Prozent der Fälle zu spät, um die Übertragung sexueller Krankheiten oder ungewollte Schwangerschaften medizinisch wirksam zu verhindern, kritisiert die Organisation.
In der abgelegenen ländlichen Region an der Pazifikküste gibt es nach Angaben von "Ärzte ohne Grenzen" nur unzureichende Hilfsangebote für die betroffenen Menschen. Die Organisation rief die kolumbianische Regierung auf, medizinische und psychologische Hilfe für Gewaltopfer aufzustocken.
Nach über 50 Jahren Friedensabkommen
Im Dezember vergangenen Jahres unterschrieben die Regierung Kolumbiens und die linken Rebellen der Farc nach über 50 Jahren Krieg ein umfassendes Friedensabkommen. Der Konflikt zwischen der Regierung, mehreren Rebellengruppen und paramilitärischen Todesschwadronen hatte sich in den 60er Jahren an Landkonflikten und sozialer Ungerechtigkeit entzündet. Seither wurden etwa 340.000 Menschen getötet, mindestens sieben Millionen Kolumbianer wurden vertrieben. Mit der kleineren Guerillagruppe ELN hat die Regierung Anfang Februar formale Friedensverhandlungen aufgenommen.