Studie: Steigende Armut trotz Beschäftigungsboom

Mehr Jobs, weniger Lohn

Es ist die Kehrseite der Medaille: Trotz des Beschäftigungsbooms in Deutschland sind mehr Menschen arm oder armutsgefährdet. Deutlich gestiegen ist das Armutsrisiko der 55- bis 64-Jährigen.

Armut in Deutschland (dapd)
Armut in Deutschland / ( dapd )

Trotz des anhaltenden Beschäftigungsbooms in Deutschland sind laut einer Studie mehr Menschen von Armut bedroht als 2007. Das Armutsrisiko trifft dabei Frauen häufiger als Männer, wie aus dem am Dienstag in Berlin vorgestellten Sozialbericht für Deutschland 2013 hervorgeht. Demnach ist das Armutsrisiko der 55- bis 64-Jährigen deutlich gestiegen. Eine Folge sei, dass die Lebenserwartung bei sozial Bedürftigen niedriger sei als bei Menschen mit gutem Einkommen.

Nach den Ergebnissen des Datenreports ist der Anteil armutsgefährdeter Menschen von 15,2 Prozent im Jahr 2007 auf 16,1 Prozent im Jahr 2011 gestiegen. Dabei galt 2011 derjenige als arm, der weniger als 980 Euro im Monat zur Verfügung hatte. Bei den 55- bis 64-Jährigen erhöhte sich danach das Armutsrisiko von 17,7 (2007) auf 20,5 Prozent (2011). Auch unter den 18- bis 24-Jährigen gilt jeder Fünfte als armutsgefährdet. Diese Zahl habe sich seit 2007 nur minimal verändert.

Sozial bedingte Gesundheitsunterschiede

Laut Studie haben auch die sozial bedingten Gesundheitsunterschiede in den vergangenen 20 Jahren zugenommen. So beurteilten mehr Frauen und Männer aus der niedrigsten Einkommensgruppe ihren Gesundheitszustand als "weniger gut" oder "schlecht". Bei Besserverdienenden gebe es dagegen die gegenläufige Entwicklung.

Zudem wirke sich Armut unmittelbar auf die Lebenserwartung aus. Die mittlere Lebenserwartung von Männern der niedrigsten Einkommensgruppe liege bei der Geburt fast elf Jahr unter der von Männern der hohen Einkommensgruppe. Bei Frauen betrage der Unterschied acht Jahre.

Überspitzt könne man sagen, dass "Arme früher sterben", erklärte Roland Habich vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Das liege nicht an der Einkommenslage an sich, sondern daran, dass mit steigenden Einkommen in aller Regel auch steigende materielle, kulturelle und soziale Ressourcen verbunden seien. Solche Ressourcen seien als Mechanismen zu verstehen, mit physischen und psychischen Belastungen im Lebensverlauf besser "umzugehen".

Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, betonte, mit 21,5 Prozent seien Menschen mit Migrationshintergrund nahezu doppelt so häufig von Armut betroffen wie jene ohne Migrationshintergrund. Aufgrund von Zuwanderung würden die Zahlen mittelfristig sicher steigen, prognostizierte Krüger.

Arme gehen nicht wählen

Auffällig sei auch, so Krüger weiter, dass in Bundesländern mit überproportional vielen Armen weniger Menschen zur Wahl gingen. So sei die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2013 in Baden-Württemberg von 74,3 Prozent am höchsten gewesen und in Sachsen-Anhalt mit 62,1 Prozent am niedrigsten.

Eine positive Entwicklung gebe es, so Krüger, bei der Kinderarmut. Entgegen dem Trend sei diese in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Sie sei von 14 Prozent zwischen 2000 bis 2002 auf 12,8 Prozent zwischen 2009 und 2011 gesunken. Der Datenreport wird vom Statistischen Bundesamt, der Bundeszentrale für politische Bildung, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und dem Sozio-oekonomischen Panel am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung herausgegeben.


Quelle:
KNA , dpa