Studie warnt vor weiterem Exodus von Christen aus Nordsyrien

"Sie sitzen auf gepackten Koffern"

Experten berichten laut einer aktuellen Studie, dass viele Christen im Norden Syriens auf gepackten Koffern sitzen. Teils hinderten sie nur die geschlossene Grenze in der Türkei an einer Flucht. Doch der Exodus könne jederzeit kommen.

Ein syrischer Junge, der Süßigkeiten verkauft, geht an einem US-Soldaten vorbei, während der ersten gemeinsamen Bodenpatrouille in der sogenannten Sicherheitszone auf der syrischen Grenze zur Türkei / © Maya Alleruzzo (dpa)
Ein syrischer Junge, der Süßigkeiten verkauft, geht an einem US-Soldaten vorbei, während der ersten gemeinsamen Bodenpatrouille in der sogenannten Sicherheitszone auf der syrischen Grenze zur Türkei / © Maya Alleruzzo ( dpa )

Christen in Nordsyrien könnten einer aktuellen Analyse zufolge leicht zur Flucht aus ihrer Heimat getrieben werden. Aus Gesprächen mit Vertretern christlicher Exilorganisationen sei zu schließen, dass die Christen in der Region "auf gepackten Koffern sitzen", heißt es in der Studie "Zur Lage und den Perspektiven der Christen in Nord- und Nordostsyrien" der Konrad-Adenauer-Stiftung, die der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorab vorliegt.

Der Anteil der Angehörigen der christlichen Minderheit unter den Syrern, die das Land seit 2011 als Flüchtlinge verlassen haben, sei überproportional hoch, heißt es weiter. Im ungünstigsten Fall könnten aktuell nur noch rund 300.000 Christen in Syrien leben, im günstigsten bis zu 750.000. Im Jahr 2010 - vor Ausbruch des Bürgerkriegs - waren es noch zwischen 1 und 1,5 Millionen gewesen.

Praktische Gründe sind Hinderungsgrund

Die Christen in Nordsyrien hindern laut der Analyse praktische Gründe daran, das Land zu verlassen. So sei die Grenze zur Türkei seit geraumer Zeit geschlossen, so dass auch christliche Flüchtlinge - anders als in den vergangenen Jahren immer wieder berichtet - keine Möglichkeit mehr hätten, in das Land einzureisen. Manche Betroffene würden auf andere Nachbarländer ausweichen - vor allem auf den Libanon als Zwischenstation auf dem Weg in den Westen. Die zeitweise Aussetzung von Umsiedlungsprogrammen durch die USA und die EU-Flüchtlingspolitik ließen diesen Weg aber als wenig erfolgversprechend erscheinen.

Sollten sich allerdings die Bedingungen in Nordsyrien - wie so oft in den vergangenen Jahren - kurzfristig ändern, könnten die Christen in Nordsyrien in großer Zahl versuchen, ihre Heimat zu verlassen, warnt die Studie. Auslöser dafür könnten etwa ein Abzug der US-Truppen und die Einrichtung einer Sicherheitszone in Nordsyrien unter türkischer Kontrolle sein.

Gemeinsame Patrouillen in Nordsyrien

Erst vor wenigen Tagen haben die Türkei und die USA zur Einrichtung einer sogenannten Sicherheitszone mit gemeinsamen Patrouillen in Nordsyrien begonnen. Mitarbeiter des türkischen und US-Militärs würden dabei von Drohnen unterstützt, teilte das türkische Verteidigungsministerium am Sonntag via Twitter mit. Der Einsatz habe südlich des Grenzorts Akcakale begonnen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte den Einsatz.

Die USA und die Türkei hatten sich Anfang August auf die Einrichtung einer sogenannten Sicherheitszone in Nordsyrien geeinigt. Bisher sind aber nur wenige Details bekannt. Die Türkei wünscht sich entlang der Grenze ein Gebiet unter ihrer alleinigen Kontrolle. Die Gegend wird bislang von der syrischen Kurdenmiliz YPG beherrscht, die von Ankara als Terrororganisation betrachtet wird. Für die USA ist sie dagegen ein wichtiger Partner im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Syrien verurteilte die Patrouillen auf das Schärfste und sprach von einem "eklatanten Verstoß gegen internationales Recht". Damit werde das Hoheitsgebiet Syriens verletzt, hieß es der staatlichen Nachrichtenagentur Sana zufolge aus Kreisen des syrischen Außenministeriums.

Ende August hatte die YPG nach eigenen Angaben damit begonnen, ihre Einheiten aus den Grenzorten Ras al-Ain und Tell Abiad abzuziehen. Erdogan betrachtet die Kurdenmiliz als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die die Türkei im eigenen Land bekämpft.


Quelle:
KNA , dpa