Der künftige Generalsekretär des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK), Jerry Pillay, ist in den internationalen kirchlichen Organisationen kein Unbekannter. Der 1965 in Südafrika geborene Theologe, der am Freitag vom ÖRK-Zentralausschuss zum achten Generalsekretär des 1948 gegründeten Weltkirchenrats gewählt wurde, wird der zweite Afrikaner in diesem Amt sein. Sein Vorvorgänger war von 2004 bis 2009 der methodistische Kenianer Samuel Kobia.
Der presbyterianische Kirchenhistoriker Pillay bringt viel internationale Erfahrung mit. Er war von 2010 bis 2017 Präsident der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK), zu der sich 2013 die Vorgängerorganisationen Reformierter Weltbund und Reformierter Bund zusammengeschlossen hatten.
Spirituelle Erfahrungen in den Townships
Schön früh als Kind, erzählt er, fühlte er sich zum ordinierten Amt berufen, und seit seiner Jugendzeit sei die Ökumene für ihn zur Realität geworden. Prägende Erlebnisse hatte er in Townships während der Zeit der Apartheid. Dort begegnete er der leidenden schwarzen Bevölkerung, die ihre Lebensfreude und Fröhlichkeit in Tanz und Gesang ausdrückte, als Form von Spiritualität und Resilienz. Für Pillay waren dies nach eigenen Worten tiefgehende spirituelle Erfahrungen von der Fülle des Lebens, die ihn geprägt hätten.
Er studierte Theologie an der Universität Durban-Westville und wurde in der damaligen Presbyterianischen Kirche des Südlichen Afrika zum Pfarrer ordiniert. An der Universität von Kapstadt promovierte er 2002 in Missionswissenschaft, Kirchengeschichte und Neues Testament. Leitungserfahrungen machte er als Generalsekretär der Uniting Presbyterian Church in Südafrika, bevor er die Weltgemeinschaft der Reformierten leitete. 2018 wurde er als Dekan der Fakultät für Theologie und Philosophie an der Universität Pretoria gewählt.
Umgang mir der russisch-orthodoxen Kirche unklar
Zu den aktuellen Herausforderungen des ÖRK zählt der Konflikt um den Umgang mit der russisch-orthodoxen Kirche - der größten Mitgliedskirche des Weltkirchenrats. Auf Kritik stößt vor allem Patriarch Kyrill I. und seine den Krieg Russlands gegen die Ukraine unterstützende Haltung. Erst am Montag hatten die Schweizer Reformierten einen Antrag gestellt, die Suspendierung der russisch-orthodoxen Kirche zu prüfen. Und die Unionskirche in Schweden hatte Sanktionen gegen Kyrill gefordert. Der Zentralausschuss lehnte dies ab und beschloss, den Dialog mit Moskau fortzuführen und keine Sanktionen gegen die russisch-orthodoxe Kirche zu verabschieden.
Auch Pillay betonte vor Journalisten, wie wichtig ihm der Dialog sei. Dies gebiete schon die Verfassung des ÖRK. Zugleich erhofft er sich davon die Chance, die Ursachen von Konflikten anzugehen und miteinander einen Weg zu finden zu einer Lösung, die die Kirchen weiterhin miteinander verbindet. Forderungen nach Suspendierung einer Mitgliedskirche griffen zu kurz und blickten zu wenig voraus.
In geheimer Abstimmung gegen eine Frau gewählt
Pillay hatte sich in geheimer Abstimmung gegen die aus Indien stammende und in London lebende Elizabeth Joy durchgesetzt, die als erste Frau für das Amt des ÖRK-Generalsekretärs nominiert war. Erstmals wurde mit ihr auch eine (orientalisch-)orthodoxe Kirche berücksichtigt: die malankarische syrisch-orthodoxe Kirche, eine der ältesten Kirchen, deren Tradition sich auf den Apostel Thomas beruft. Nach deren Lehre kann Joy nicht Priesterin sein, und auch innerhalb der ÖRK-Mitgliedskirchen wäre eine ordinierte Pfarrerin oder gar Bischöfin als Generalsekretärin (noch) undenkbar.
Pillay tritt sein Amt als Generalsekretär im Januar 2023 an. Bis dahin wird weiterhin der rumänisch-orthodoxe Priester und Theologieprofessor Ioan Sauca amtieren, der dies bereits seit April 2020 geschäftsführend ausübt.