Schon zu Lebzeiten verneigten sich viele mächtige Frauen und Männer vor ihm. Nelson Mandela war größer als groß, geradezu überlebensgroß. Der einst berühmteste Gefangene der Welt einte sein zerrissenes Land, Südafrika, und schenkte der Welt Hoffnung.
Als er am 18. Juli 1918 in einem kleinen Dorf am östlichen Kap auf die Welt kam, gaben ihm seine Eltern den Namen Rolihlala, in der Xhosa-Sprache bedeutet das: Unruhestifter. Und das war Mandela, der in einer Missionsschule den Vornamen Nelson verpasst bekam, bevor er zum Übervater der Nation wurde.
Erste schwarze Rechtsanwaltskanzlei Südafrikas
Sein Vater starb früh. Mandela war erst neun, als er dem König der Thembu übergeben wurde, dessen Berater der Vater gewesen war. Mandela studierte Jura und entdeckte an der Universität den Afrikanischen Nationalkongress (ANC), der für die Rechte der schwarzen Mehrheit eintrat. Mit seinem Freund Oliver Tambo gründete er 1944 die ANC-Jugendliga, acht Jahre später eröffneten die beiden die erste schwarze Rechtsanwaltskanzlei Südafrikas.
1960 wird der ANC verboten, Mandela geht in den Untergrund, spricht sich für den bewaffneten Kampf aus. Nach zwei Jahren wird er verhaftet und wegen Verschwörung und Sabotage zu lebenslanger Haft verurteilt. Den Gerichtssaal nutzt er als vorläufig letzte öffentliche Bühne: "Ich hoffe auf eine demokratische und freie Gesellschaft, in der alle Menschen in Gleichheit und Harmonie zusammenleben können", erklärt er. "Es ist ein Ideal, für das ich lebe, aber wenn es sein muss, bin ich auch bereit, dafür zu sterben."
Mandela wird weggesperrt - und die weißen Herrscher im Unrechtsstaat Südafrika hoffen, dass der Unruhestifter vergessen wird. Doch mit seiner Haft beginnt der Mythos Mandela erst. Vom Ausland aus startet der ANC eine Kampagne für seine Freilassung. "Free Mandela" wird zum Kampfruf der Anti-Apartheid-Bewegung auf der ganzen Welt. 27 Jahre lang sitzt Mandela hinter Gittern, davon viele Jahre auf der Gefängnisinsel Robben Island, arbeitet im Steinbruch.
Als die Morgenzeitungen in den Schwarzensiedlungen, den Townships, am 11. Februar 1990 "Heute kommt Mandela frei" schreiben, können das seine Anhänger kaum glauben. "Ich habe bei meinen Eltern vor dem Fernseher gesessen und wir haben gewartet", sagt Oliver Malaba, damals ein 20-jähriger Student, der trotz Tränengas und Polizeigewalt immer wieder für Mandelas Freilassung demonstriert hatte. "Nichts passierte, und wir waren uns sicher, dass die Apartheidriege uns wieder betrogen hatte."
Aus der Hölle zurückgekehrt
Als Mandela, damals 71, tatsächlich vor laufender Kamera aus dem Gefängnistor schreitet, bricht Malaba in Tränen aus. "Dann bin ich wie alle anderen aus der kleinen Hütte meiner Eltern gerannt, habe geschrien, getanzt und die ganze Nacht durchgefeiert." Eine Party wie diese hatte das schwarze Südafrika noch nicht erlebt. "Es war als sei Mandela aus der Hölle zurückgekehrt, um unser Land zu befreien", sagt Malaba. Zwei Tage später spricht Mandela vor Zehntausenden in Soweto: "Ich grüße Euch im Namen des heroischen Kampfes für Gerechtigkeit und Freiheit für alle in unserem Land."
Trotz der bitteren Jahre im Gefängnis unter dem weißen Minderheitsregime umreißt Mandela sein Programm: Es geht ihm um Freiheit für alle, nicht nur für die schwarze Mehrheit. Die Verhandlungen mit dem letzten Apartheidspräsidenten Frederik Willem De Klerk sind davon geprägt. Ebenso seine Amtszeit als erster schwarzer Präsident Südafrikas. 1994 gewinnt er mit dem ANC die erste freie Wahl, wenige Monate nachdem er und De Klerk gemeinsam den Friedensnobelpreis entgegennahmen.
Seine Strahlkraft und seinen Einfluss nutzt Mandela, um für Vertrauen in das neue Südafrika zu werben. Nach fünf Jahren, auf dem Höhepunkt seiner Macht, hört Mandela auf: Nicht nur in Afrika ist das bis heute eine Seltenheit. Er gründet eine Stiftung, kämpft gegen die Aids-Krise und gründet - mit 89 - einen "Weltrat der Ältesten" aus prominenten Un-Ruheständlern wie er einer ist.
Aids-Tabu gebrochen
Als sein einziger Sohn 2005 an der Immunschwäche stirbt, bricht Mandela das Schweige-Tabu: "Lasst uns über Aids sprechen und es wie eine normale Krankheit behandeln." Es ist einer seiner letzten öffentlichen Auftritte. Seinen Lebensabend verbringt er im Kreise der Familie. In den letzten Monaten zeigte er sich weiter als Kämpfer gegen ein Lungenleiden, dem er schließlich erlag.
Mandela hinterlässt ein gewandeltes Land. Als er 1994 gewählt wurde, legten Apartheid-Anhänger noch Autobomben. Anhänger von ANC und der radikalen Inkatha-Partei lieferten sich blutige Gefechte. Ein Bürgerkrieg schien unausweichlich. Dass es dazu nicht kam, das schreiben schwarze wie weiße Südafrikaner bis heute Mandela zu. Und obwohl die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich das Land bis heute teilt, ist der Frieden stabil. Mandela hat mit seiner Größe Südafrika ein Fundament geschaffen, das sein Leben weit überdauern wird.