Südsudanesischer Bischof Mazzolari zum Referendum

"Die Menschen wollen Unabhängigkeit"

Der aus Italien stammende Cesare Mazzolari ist seit 1999 Bischof des südsudanesischen Bistums Rumbek. Er hat schlimmste Bürgerkriegszeiten erlebt. Zum Beginn des Referendums zur Unabhängigkeit des Südens vom Norden zeigt sich der Missionar besorgt über die Zukunft der Christen im islamisch dominierten Norden des Sudan.

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 (DR)

KNA: Bischof Mazzolari, welches Ergebnis erwarten Sie für das Referendum?

Mazzolari: Grundsätzlich plädieren die Menschen als Einzelne und in der Menge entschlossen zur Abspaltung und zur Unabhängigkeit. Das gilt gerade für den Sudan, aber ganz besonders für den Süden. Das entschiedene Votum für den Präsidenten der südsudanesischen Regierung bei den Wahlen im April 2010 steht für diesen Unabhängigkeitswillen. Salva Kiir erhielt 93 Prozent der Stimmen der Südsudanesen.



KNA: Im Vorfeld der Abstimmung gibt es Berichte über Fluchtbewegungen. Tausende würden ihre Heimat aus Angst vor Unruhen verlassen...

Mazzolari: In der Tat gibt es Flüchtlinge aus dem Norden. Es ist ein Exodus von Menschen, die aus dem Südsudan stammen und zu ihren ursprünglichen Heimatorten zurückkehren. Grund ist die Furcht vor dem, was nach dem Referendum im Norden passieren mag, ganz konkret vor einer strikteren Einführung der Scharia, des islamischen Rechts, mit viele praktischen Vorgaben für den Alltag. Tausende kamen und kommen Tausende aus dem Norden des Sudan in den Süden.



KNA: Wird die Zentralregierung in Khartum die Abspaltung des Südens akzeptieren?

Mazzolari: Khartum plädiert natürlich nicht für die Abspaltung. Aber sie haben zumindest erklärt, dass sie zusammenarbeiten wollen, falls das Volk sich tatsächlich für die Sezession entscheidet. Aber wir erwarten, dass sie den ordnungsgemäßen Ablauf des Referendums stören wollen. Und es ist Anlass zur Sorge, was Khartum tun wird, um das Ergebnis des Urnengangs abzuschwächen.



KNA: Wird es im Falle einer Abspaltung eine friedliche Zusammenarbeit von Nord und Süd geben?

Mazzolari: Der Süden hat bereits davon gesprochen, die Grenzen zum Norden offenhalten zu wollen, und betont die Bereitschaft, die Ölleitungen und Raffinerien, die im Norden bestehen, zu einem fairen Preis nutzen zu wollen. Aber dazu scheint Khartum nicht gewillt. Die Zusammenarbeit wird zwar verbal betont, aber wir haben im Süden Gründe, skeptisch zu sein und zu bleiben.



KNA: Und rechnen Sie mit einem friedlichen Miteinander der verschiedenen Glaubensrichtungen - Christen, Muslime, Anhänger von Stammesreligionen?

Mazzolari: Die Glaubensgemeinschaften im Süden plädieren für einen weiteren Dialog und eine friedliche Koexistenz. Aber die Zukunft der christlichen Gruppen im Norden wird, falls der Süden unabhängig wird, sehr unruhig werden und sie einer harten Prüfung unterziehen.



KNA: Wie sieht die katholische Kirche des Landes in diesen Wochen ihre Rolle?

Mazzolari: Die Sudanesische Bischofskonferenz hat sich im vorigen Jahr zwei Mal getroffen, im Juli und im November. Wir haben den Christen und allen Menschen guten Willens Empfehlungen gegeben, wie es zu einem friedlichen Referendum kommen kann. Wir haben zwei Hirtenbriefe veröffentlicht. Die Vereinigung der katholischen Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SECAM) und die Vereinigung der katholischen Bischofskonferenzen Ostafrikas (AMECEA) haben darauf reagiert und unterstützen uns mit ihrer Präsenz während der Tage des Referendums.

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Das Gespräch führte Christoph Strack.