Debatte zu kirchlichen Strukturveränderungen erhitzt Gemüter

Synodaler Weg mit Konfliktpotential

Theologische Debatten werden heutzutage selten medienwirksam in Zeitungen ausgetragen. Anders bei Diskursen um den Synodalen Weg: Wer Strukturveränderungen in der katholischen Kirche fordert, kann auf öffentliche Reaktionen gefasst sein.

Autor/in:
Annika Schmitz
Logo Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht (KNA)
Logo Synodaler Weg / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Auf ihrer letzten Vollversammlung Anfang Oktober votierte das katholische Reformprojekt Synodaler Weg für die Einrichtung eines dauerhaften "Synodalen Rats". 138 von 179 abgegebenen Stimmen sprachen sich dafür aus, dass ein solcher Rat beispielsweise über die Umsetzung von Beschlüssen wachen könnte. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und ein gewähltes Laienmitglied sollen gleichberechtigte Präsidenten werden.

Kritik von Dogmatiker Tück 

Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück kritisiert in einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" das Vorhaben. Es blähe den kirchlichen Apparat weiter auf, verschlinge Finanzmittel bei sinkenden Kirchensteuereinnahmen, schmälere die Bedeutung der Bischofskonferenz, käme einem "kühnen Umbau der Kirchenverfassung" gleich und bringe die Bischöfe mitunter in eine "schwere Konfliktlage": Dann nämlich, wenn der Synodale Rat als «Gegenlehramt» auftrete, «das gezielt von universalkirchlichen Vorgaben abweicht».

Damit dürfte ein Stichwort gefallen sein, das nicht nur dem Theologen Bauchschmerzen bereitet, sondern auch den Kritikern des Reformprozesses generell schwer im Magen liegt: Die Idee eines Gegenlehramts zu Rom, das die Synodalen selbst stets abstreiten. Tück befürchtet gar, dass die Bischöfe durch einen Rat zu "Gefangenen synodaler Mehrheitsvoten" werden könnten.

Antworten aus Salzburg

Umgehend antworteten der Salzburger Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff und der ebenfalls in Salzburg lehrende Dogmatiker Hans-Joachim Sander auf das Statement des Kollegen. Ihre Repliken in der Wiener Wochenzeitung "Die Furche" fielen indes unterschiedlich aus.

Hoff argumentiert, dass der Synodale Weg Kirche als Gemeinschaft hervorhebe und dadurch zugleich nach strukturellen Konsequenzen verlange. Ohne dass Fragen von Macht verhandelt werden, könne sich kein Ausweg aus der Krise der katholischen Kirche abzeichnen.

"Synodale Gewaltenteilung eröffnet an dieser Stelle Spielräume", schreibt der Theologe. Alles in der Kirche müsse sich Kritik stellen, wenn "die institutionelle Form dem entscheidenden Anspruch nicht gerecht wird: der glaubwürdigen Bezeugung des Evangeliums".

Beide Zugänge nun kritisiert Sander, seines Zeichens synodalen Prozessen an sich nicht abgeneigt: Während Tück die Sakramentalität von Kirche betone, gehe es Hoff um die Apostolizität synodaler Wege. Beides habe Berechtigung - und doch, so argumentiert Sander, müsse beidem vorausgehend in erster Linie ein Nein stehen - "das Nein zum Fluch der bösen Tat des Missbrauchs". Es brauche ein Nein, um überhaupt noch Ja sagen zu können: "Nicht erst das Ja zur Kirche setzt das Evangelium frei, sondern das Nein dazu, so weiterzumachen, eröffnet den Raum, hier und heute auf das Evangelium zu kommen", führt der Dogmatiker aus. Die Kirche sei nicht die vKöchin des Evangeliums, sondern dessen Kellnerin". Für Sander vollzieht sich in der "Revolte gegen kirchliche Absurditäten" das Ja des Glaubens zum Evangelium.

Debatte geht weiter

Weitere Akzente setzen zwei Beiträge, die online erschienen sind. Für die Regensburger Kirchenrechtlerin Sabine Demel liegt die Bedeutung in der "Realtheologie". Die Einrichtung eines Synodalen Rats sei "Realtheologie der gemeinsamen Verantwortung der Gläubigen und der Leitungsverantwortung der Bischöfe", schreibt sie in einem direkt auf Tück antwortenden Gastbeitrag für das Internet-Portal katholisch.de.

Geistliche Erneuerung, wie etwa Tück sie fordert, um einer "Versteppung" des Glaubens entgegenzuwirken, ermögliche, ersetze aber nicht Strukturfragen, erklärt Demel. Gerade nach der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) müsse sich Spiritualität in den sichtbaren Strukturen "verleiblichen".

Anfang Dezember veröffentlicht der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher auf dem Internet-Blog feinschwarz.net einen Beitrag mit der Überschrift "Auch wenn sich nichts ändert, wird sich etwas ändern". Er sieht - und darin ähnelt er Hoff - das Novum des Synodalen Wegs in einer "Verlegung der diskursiven Frontlinie" in das Innere der Bischofskonferenz.

Bucher fragt darüber hinaus, welchen Einfluss die dort getroffenen Entscheidungen perspektivisch haben können. Bei Akzeptanz und Umsetzung von Reformvorschlägen käme es dann von einer diskursiven hin zu einer institutionell-politischen Frontverschiebung. Bei Ablehnung der Vorschläge, so fürchtet Bucher, werde sich "ziemlich viel ändern" - gerade weil sich nichts ändere. In diesem Fall werde eine "Delegitimierung" der katholischen Kirche in Deutschland bei den eigenen Mitgliedern und in der Gesellschaft noch schneller voranschreiten.

Offene Debatten als erstes Ergebnis?

Mit welchen Ergebnissen das Reformprojekt der deutschen katholischen Kirche enden wird, darüber lässt sich nur spekulieren. Dass jedoch Debatten wie diese öffentlich ausgetragen werden, zeigt an, was bislang erreicht wurde: Ein offener Austausch von Laien und Bischöfen, bei dem es, um es mit Hoff zu sagen, um theologische Argumente und nicht um "Diktate" geht. Sander blickt derweil zurück.

Die Basis kirchlicher Lehren sei im Grunde Revolten zu verdanken, sagt er - weil auf Konzilien Nein zu Falschheiten gesagt wurden, durch die die Glaubensformeln überhaupt erst gefunden werden konnten.


Quelle:
KNA