Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland - Präses Schneider im domradio-Interview

Wie kann unser Leben gelingen?

Mit einem Nahost-Appell von Nikolaus Schneider hat am Montag die Evangelische Kirche im Rheinland ihre Synode fortgesetzt. Zuvor hatte der Präses im domradio-Interview die wesentlichen Punkte seines Berichts bereits vorgestellt. Die Leitfrage laute "Wie kann unser Leben gelingen?"

 (DR)

Man müsse "dem Hass und dem Morden" im Nahen Osten die religiöse Legitimation entziehen, so Schneider. Dies könnte "der entscheidende Impuls für einen Neuanfang sein", so Schneider am Montag vor der rheinischen Landessynode in Bad Neuenahr. Von jüdischer Seite wisse er, dass eine Begegnung der höchsten religiösen Autoritäten beider Seiten durchaus möglich sei.

Gelingen könne ein Neuanfang aber nur, wenn die Hamas das Existenzrecht Israels anerkenne und "wenn Israel die permanenten staatlichen Rechtsverletzungen und Demütigungen gegenüber den Palästinensern beendet", betonte der 61-jährige Theologe, der auch dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland angehört. Die Angriffe auf den Gazastreifen führten zu humanitären Katastrophen für die Bewohner. "Weder Sicherheit noch Frieden wird Israel auf diese Weise erreichen."

Schneider zeigte zugleich Verständnis für die "tragische" Situation Israels. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass die Raketenangriffe der Hamas auf Ziele in Israel weitergingen, "wenn Israel Ruhe hielte". An die internationale Staatengemeinschaft appellierte der oberste Repräsentant der 2,9 Millionen rheinischen Protestanten, die Sicherheit Israels zu gewährleisten und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Palästinas energisch zu fördern.

Fortschritte in der Ökumene
Den Dialog zwischen den beiden großen Kirchen in Deutschland sieht Schneider auf einem guten Weg. "Trotz aller ökumenischer Irritation ist nicht zu übersehen, dass die Gemeinschaft christlicher Konfessionen in der alltäglichen Praxis selbstverständlicher ist als je zuvor." In vielen Bereichen wie der Entwicklungszusammenarbeit oder der gemeinsamen Feier von Gottesdiensten herrsche "ein großes Maß an Vertrautheit und Respekt untereinander".

Zugleich beklagte Schneider, dass die Kirchen wichtige theologische Debatten nicht immer angemessen aufgegriffen hätten. Dies sei vielleicht auch Folge der modernen Mediengesellschaft, so der Präses. Vermeintliche Alleinstellungsmerkmale seien oft interessanter "als die mühsamen Versuche, Gemeinsamkeiten zu entdecken und zu fördern".

Kritik übte Schneider an der Arbeitsweise des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Genf. Das Gremium werde "geschüttelt durch orthodoxen Eigensinn, organisatorische Schwächen und herausgefordert durch charismatische Bewegungen und Pfingstkirchen". Die katholische Kirche ist kein Mitglied im ÖRK, hält aber seit den 1960er Jahren enge Kontakte zum Rat.

Landessynode erinnert an Gründung
Mit einem "Abend der Begegnung" erinnerte die Evangelische Kirche im Rheinland am Sonntagabend in Bad Neuenahr an ihre Gründung vor 60 Jahren. Am 9. November 1948 hatten die Abgeordneten der rheinischen Provinzialsynode in Velbert bei Düsseldorf den Beschluss gefasst, sich als "Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland" zu konstituieren, wie der Wuppertaler Historiker Volkmar Wittmütz vor der derzeit tagenden Synode erläuterte. Damit war die Loslösung von der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union und der Schritt von einer Kirchenprovinz zu einer selbstständigen Kirche vollzogen.

Eine "rheinische Neigung zur Selbstständigkeit" und Ablehnung der autoritären Strukturen, des Zentralismus und der Obrigkeitsorientierung der preußischen Kirche habe es schon seit der Weimarer Republik gegeben, stellte Wittmütz fest. Angesichts des kirchlichen "Notstandes" nach dem Krieg habe sich dann die Gelegenheit ergeben, solche Bestrebungen umzusetzen. Bei der Kirchenversammlung in Treysa im August 1945 erhielten die Kirchenprovinzen das Recht, sich selbst zu leiten.

Erste Landessynode mit Gustav Heinemann
Die erste Landessynode der rheinischen Kirche, der unter anderen der Essener Oberbürgermeister und spätere Bundespräsident Gustav Heinemann angehörte, verabschiedete 1948 in Velbert ein Kirchenleitungsgesetz. Es wurde die Grundlage für die 1952 verabschiedete Kirchenordnung, in der unter anderem das presbyterial-synodale Prinzip verankert ist. Erster Präses wurde der Essener Pfarrer Heinrich Held (1897-1957), ein prominenter Vertreter der Bekennenden Kirche.

Oberstes Leitungsorgan der rheinische Kirche ist die Landessynode, die nach anfangs wechselnden Tagungsorten seit 1975 jährlich im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr tagt. Auf der Tagesordnung standen in den letzten 60 Jahren neben Wahlen und Kirchengesetzen immer auch aktuelle zeitgeschichtliche oder politische Themen. Diskutiert wurde über Wiederbewaffnung und Atomrüstung, das Antirassismusprogramm, soziales Engagement in der Arbeitswelt, "politische Nachtgebete", Projekte für Arbeitslose, die Friedensfrage und Umweltprobleme oder die Segnung homosexueller Paare. Eine Vorreiterrolle spielte die rheinische Kirche bei der Neubestimmung des Verhältnisses von Christen und Juden.

Heute ist die rheinische Kirche mit knapp 2,9 Millionen Mitgliedern die zweitgrößte der 22 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Sie erstreckt sich zwischen Emmerich und Saarbrücken immer noch über das Gebiet der ehemaligen preußischen Rheinprovinz. Die 773 Kirchengemeinden in 40 Kirchenkreisen liegen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Hessen. An der Spitze der rheinischen Kirche steht seit 2003 Präses Nikolaus Schneider.