"Mein Damaskus muss man riechen, schmecken und hören. Man muss es fühlen!" Fadia hält ein "Qurban" in der Hand. Das süße Brot der orthodoxen Christen duftet nach Blütenwasser, seine goldene Kruste ziert der griechische Aufdruck IC XC NIKA, Christus ist siegreich. Hier in Bab Touma, dem Herzen des christlichen Damakus, "bin ich zuhause", sagt Fadia. "Mein Vater und mein Großvater sind hier großgeworden, in einer Zeit, als kaum je ein Fremder sich in das Viertel verirrte."
Lateinische Pfarrei als Heimat
Die 28-jährige Medienstudentin ist Melkitin, in ihrem Glaubensleben spielen die Konfessionen jedoch keine Rolle. "Die lateinische Pfarrei ist meine Heimat, ich verbringe mehr Zeit hier als zuhause." Viele ihrer Freunde sind Muslime. Ihre Besucher nimmt sie gern mit in die Omayyadenmoschee, die einst eine Kirche war. Vor dem Krieg, sagt sie, "haben wir in gegenseitigem Respekt zusammengelebt. Mehr als das: Wir waren vereint." Die versöhnte Vielfalt ist es, die für Fadia die Schönheit von Damaskus ausmacht. Doch mit dem Krieg kam das Misstrauen. Manchmal hadert Fadia mit ihrem Gott. Dann ringt sie mit sich, fragt, "was ich an mir ändern muss, um wieder in einer guten Beziehung mit ihm zu sein".
In einer der engen Gassen hält Fadia inne. "Riechst du das? Hier riecht es nach Gemeinschaft!" Fadias Damaskus duftet nach Kaffee und Gewürzen, nach Essen im Kreis der Familie und nach frischem Holz im Handwerkersouk. In den Klangteppich mischen sich Kinderstimmen und die Schläge des Kunstschmieds, der ein Stück Kupfer mit filigranen Silberintarsien verziert. Es schmeckt nach handgemachter arabischer Eiscreme von Bakdasch, für das man Schlange stehen muss und nach geeister Zitronenlimonade. Und es fühlt sich bitter an. "Vor dem Krieg hatten wir Träume, und wir waren sicher, dass wir sie erreichen werden", sagt die Studentin. "Jetzt kämpfen wir darum, uns unsere Träume zu erhalten."
"Wie oft kann ein Mensch für sein Land sterben?"
Die Fadia von heute sei nicht die Fadia von vor fünf Jahren, sagt die gebürtige Damaszenerin nachdenklich - ein Satz, der wohl für keine Generation so gilt wie für jene, die einen Krieg durchlebt. "Wie oft kann ein Mensch für sein Land sterben?", fragt sie und sagt: "Ich bin oft gestorben in diesem Krieg."
Zwei ihrer Schwestern leben in den USA. Ob auch sie geht? Die Studentin ist unschlüssig, die Entscheidung wiegt schwer. "Ich liebe mein Damaskus. Und genau deshalb fühle ich diesen Schmerz." Fadia will Journalistin werden, aber keine, die sagt, was man ihr vorgibt.
Die Gesellschaft ist für sie genauso korrupt wie das System, dagegen anzukämpfen ein mühsamer Weg. "Und vielleicht scheitere ich daran." Manchmal ist sie voller Zuversicht. Dann will sie hierbleiben, um etwas zu ändern in dem Land, das sie liebt. Dann wieder denkt sie, an einem anderen Ort wäre alles leichter. Und vielleicht helfe der Blick von außen, wenn sie wiederkommt. Denn in diesem einen Punkt ist sie sich sicher: Wenn sie geht, dann nur, um wiederzukommen, "denn dies ist mein Land. Wir können nicht anders, als wiederzukommen. Aber ich verdiene eine Chance für mein Leben."
Am Abend fällt einmal mehr der Strom aus, und die Nacht taucht die engen Altstadtgassen in Dunkelheit. "Vor dem Krieg gab es das seltener. Wir hatten alles, es ging uns gut in Damaskus", sagt Fadia.
Der Krieg habe diese Welt zerstört. "Daran gewöhnt man sich nie!"