Tafeln fordern Mitsprache in der Flüchtlingspolitik

"Die Politik muss uns besser einbinden"

Immer mehr Flüchtlinge sind auf die Hilfe der Tafeln angewiesen. Die Zahl der Hilfsbedürftigen steige deutlich schneller als die Menge der Lebensmittelspenden, sagte Tafel-Bundesvorsitzender Jochen Brühl im epd-Interview.

Autor/in:
Daniel Wenisch
Jochen Brühl, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Tafel / © Oliver Mehlis (dpa)
Jochen Brühl, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Tafel / © Oliver Mehlis ( dpa )

Evangelischer Pressedienst: Herr Brühl, wie stark trifft die Flüchtlingsproblematik die Tafeln?

Jochen Brühl (ehrenamtlicher Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Tafel): Zurzeit nutzen bundesweit etwa 100.000 Flüchtlinge die freiwillig angebotenen Tafelleistungen. Wenn man bedenkt, dass es in diesem Jahr etwa 450.000 Asylanträge geben wird, ist das eine beträchtliche Zahl. Wir fordern daher eine umfangreiche Einbindung von Hilfsorganisationen. Ein erster Schritt wäre, flächendeckend kommunale Runde Tische einzuführen, an denen die Akteure der Flüchtlingshilfe Probleme besprechen. Es gab ja vor kurzem einen Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt ohne Einbindung der Wohlfahrtsverbände. Das hilft einfach nicht weiter. Das zweite ist, dass wir bei zusätzlichen Gruppen, die zu uns kommen, auch mehr Lebensmittel brauchen. Die Lebensmittelspenden steigen nicht in gleichem Maße wie die Nutzerzahlen. Und drittens kommen Flüchtlinge oft mit massiven Traumata zu uns und müssen psychologisch betreut werden. Die Tafeln sind oft die erste Kontaktstelle, wir sind aber keine ausgewiesenen Akteure der Flüchtlingsarbeit. Unsere Ehrenamtlichen sind oft großem Leid und Überforderung ausgesetzt.

epd: Wie kann die Unterstützung für die Ehrenamtlichen aussehen?

Brühl: Die Politik muss sich mit Anbietern wie uns besser vernetzen. Da ist auch mehr finanzielle Unterstützung notwendig. Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten, dürfen nicht alleine gelassen werden. Man muss beispielsweise mit den Helfern der Tafeln vor Ort, die häufig Kontakt mit Flüchtlingen haben, sprechen und sie fragen "Was braucht ihr? Was können wir als Kommune tun?". Die Politik muss dann die von den Tafeln angesprochenen Dinge auch ernst nehmen.

epd: Um welche Schwerpunkte geht es darüber hinaus beim Bundestafeltreffen?

Brühl: Wir erwarten 1.000 Tafelaktivisten. Das Treffen ist auch unsere Mitgliederversammlung, bei der der Vorstand neu gewählt wird und wir Fortbildungen für die Tafel-Ehrenamtlichen anbieten. Der Höhepunkt des Bundestafeltreffens ist traditionell die "Lange Tafel". Mit einer mehr als 100 Meter langen Tafel auf dem Augsburger Rathausplatz symbolisieren wir Solidarität und Mitmenschlichkeit für ausgegrenzte Menschen in unserer Gesellschaft.


Quelle:
epd