Nach dem zweiten starken Erdbeben in Westafghanistan innerhalb von vier Tagen hat die Taliban-Regierung des Landes um Hilfe für die Opfer gebeten. Gesundheitsminister Qalandar Ibad habe humanitäre Organisationen zur Zusammenarbeit für die Errichtung von Unterkünften aufgerufen, berichtete der afghanische TV-Sender Tolo News am Donnerstag. Die Menschen könnten noch einen Monat in Zelten leben, aber danach werde es schwierig, sagte Ibad mit Blick auf den nahenden Winter.
Beben der Stärke 6,3
Nach einem Beben der Stärke 6,3 am Samstag und mehreren Nachbeben wurde die Provinz Herat am Mittwochmorgen erneut von einem Erdbeben der gleichen Stärke und mehreren weiteren Erdstößen erschüttert. Nach UN-Angaben starben bei dem ersten Beben etwa 2.000 Menschen, Tausende wurden verletzt, ganze Dörfer zerstört. Die Opferzahl ist vermutlich deutlich höher. Die Suche nach Vermissten des ersten Bebens war vor dem zweiten nicht abgeschlossen. Laut Unicef sind mehr als 90 Prozent der bisher registrierten Opfer Frauen und Kinder.
Hilfsorganisationen riefen dringend zu Spenden für die Überlebenden auf. Die Menschen bräuchten internationale Unterstützung, erklärte die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) in Genf. Die benötigten 120 Millionen Schweizer Franken (125 Millionen Euro) für die Soforthilfe seien nur zu 36 Prozent gedeckt. Die afghanische Rothalbmondgesellschaft leiste zusammen mit Partnergesellschaften medizinische Nothilfe und Rettungsarbeiten, liefere Hilfsgüter und errichte Notunterkünfte.
Schnelle Hilfe existenziell
Angesichts der immensen Zerstörung sei schnelle Hilfe existenziell, erklärte die Afghanistan-Referentin von Caritas International, Henrike Bittermann. Es kursierten sehr unterschiedliche Opferzahlen, doch Caritas gehe von einer hohen Zahl aus, die angesichts der Nachbeben noch weiter steigen könnte.
Neben Nahrungsmitteln, wetterfesten Unterkünften und Heizmittel brauchen die Menschen Bittermann zufolge auch psycho-soziale Unterstützung. Zudem müsse sichergestellt sein, dass auch Frauen die nötige Hilfe uneingeschränkt erhalten könnten, betonte sie. Durch das fast ein Jahr bestehende Arbeitsverbot für Frauen werde dieser Grundsatz der humanitären Hilfe verletzt.
Fehlendes Wasser, fehlende Lebensmittel, fehlende Grundrechte
Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 haben die Islamisten die Rechte von Frauen und Mädchen immer weiter eingeschränkt. So ist Frauen die Arbeit bei Hilfsorganisationen mit wenigen Ausnahmen untersagt.
Taliban-Gesundheitsminister Ibad sagte laut Tolo, es brauche auch internationale Hilfe, um die Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen und sauberes Wasser, um Infektionen zu vermeiden. Er versicherte, weibliche Sanitäter stellten Hilfe für Frauen sicher. Die Vereinten Nationen beklagen seit Monaten eine fehlende Spendenbereitschaft für Afghanistan. Das Welternährungsprogramm musste die Nothilfe für Millionen von Menschen einstellen.