Winfried Bönig liebt es eher nachhaltig: Seine täglichen Strecken zur Kölner Musikhochschule, wo er als Professor Katholische Kirchenmusik lehrt, oder zum Kölner Dom, seinem zweiten Arbeitsplatz, fährt er auf dem Fahrrad. Harald Schmidt kalkuliert indes gleich auf die Eingangsfrage nach seinem gewohnheitsgemäßen Fortbewegungsmittel den ersten Lacherfolg. "Jaguar", ruft er genüsslich ins Publikum.
Doch dann wird schnell deutlich, dass dieses ungleiche Paar auf dem Podium des Domforums auch einige Gemeinsamkeiten hat. Nicht nur groß, schlank, etwa gleich alt und Vater von jeweils drei Kindern sind beide – auch die gemeinsame Herkunft aus Süddeutschland verbindet, die katholische Sozialisation, der Beginn mit dem Orgelspiel im Alter von 13 Jahren und: eine Ausbildung zum Kirchenmusiker. Denn, was viele über Deutschlands bekanntesten Late-Night-Talker, Schauspieler und Kabarettisten nicht wissen, Schmidt hat die sogenannte C-Ausbildung absolviert und zehn Jahre den Beruf des Kirchenmusikers ausgeübt.
Persönliche Begegnung bei Taufe
Persönlich kennen tun sich beide eigentlich nicht. Ihre Wege kreuzten sich eher zufällig einmal vor Jahren, als Bönig – daran erinnert sich der Musiker noch ganz genau – bei der Taufe des jüngsten Kindes von Schmidt als Organist in St. Peter für einen verhinderten Kollegen eingesprungen ist. "Das war sehr, sehr nett", quittiert dieser seinem Gesprächspartner prompt, auch wenn die Leute damals gedacht hätten, unter einem Domorganisten mache es ein "Promi" wie er eben auch nicht.
"Natürlich klingt die Orgel anders, wenn da ein großer Könner am Werk ist, als wenn jemand wie ich in die Tasten haut", fügt er noch augenzwinkernd hinzu. Trotzdem habe er schon einmal für Fotos an dem Instrument im Langhaus posieren dürfen, antwortet er auf die Frage von Moderatorin Anke Bruns, ob Bönig ihn denn schon mal je an die Kölner Domorgel gelassen habe. "Natürlich", kontert der. "Ich sitze ja nicht wie eine Glucke auf meinem Instrument."
Plaudern aus dem Nähkästchen
Schmidt mit gespieltem Understatement: Bei diesem Shooting habe er aber nur das Register Principal 8 Fuß gezogen und zwei, drei Akkorde angeschlagen. In Gegenwart des hochprofessionellen "Kollegen" habe er sich mehr nicht getraut und eher so getan als ob. Gefachsimpelt habe er dann, wie er beim großen Einzug oder bei Hochzeiten üblicherweise registriere. Dabei habe er sich in Wahrheit oft während des langen Kommuniongangs der Gemeinde in die parallele Moll-Tonart geflüchtet, wenn vom Orgeltisch aus im Rückspiegel zu beobachten gewesen sei, dass der Pfarrer vorne am Altar noch nicht so weit war, plaudert Schmidt aus dem Nähkästchen.
"Verdammt, das mache ich genauso!", fährt Bönig ihm in die Parade. Und wie so oft an diesem Nachmittag gibt es seitens der vielen Gäste, die zu diesem munter-heiteren Programmpunkt von "Einfach himmlisch!" ins Domforum gekommen sind, schallendes Gelächter. Doch mit ehrlicher Anerkennung fügt Schmidt noch hinzu: "Während ich mal gerade eben mit zehn Fingern spiele, ist da jemand, der es versteht, alle vier Manuale gleichzeitig zu bedienen." Was denn eigentlich so toll an der Domorgel sei, will die Moderatorin wissen. "Dass man lauter Pfeifen vor sich hat, die alle tun, was ich will!" Schwierig allerdings sei die Logistik, setzt Schmidt noch einen drauf. Bei der banalen Frage: Wie komme ich an den Schlüssel, lerne man so manches Mal die Macht von Pfarrbüros kennen.
Lob für Bönig
Wenn er auch heute noch manchmal mehr zum Hobby Orgel spiele, dann gerne stets sehr laut. Doch sei er mittlerweile lieber Zuhörer – wie jetzt wieder zur Zeit der Kölner Orgelfeierstunden. Was so gut an Bönig sei, bohrt Bruns weiter. "Im Unterschied zu mir spielt er die Noten, die da stehen." Außerdem sei eines der Kriterien für gutes Orgelspiel die Begleitung von Chorälen, weil es großes Können in Technik und Harmonielehre voraussetze. Das sei bei Bönig schon der "blanke Wahnsinn". Er selbst, so Schmidt, begnüge sich mittlerweile auf dem Klavier mit den "Inventionen" von Bach und "scheinbar einfachen Haydn-Sonaten".
Im Verlauf des mit vielen Pointen gespickten Schlagabtauschs ist noch manches biografische Detail zu erfahren: dass der erfolgreiche Fernsehstar Schmidt im baden-württembergischen Nürtingen sehr katholisch aufgewachsen ist, Pfadfinder war und sogar seinen Zivildienst in einem Pfarrbüro absolviert hat. Doch schon während seiner kirchenmusikalischen Ausbildung – "unter Transponieren vom Blatt oder den Musik-Diktaten habe ich besonders gelitten" – sei das Parodieren der Dozenten seine Haupttätigkeit gewesen, so dass schnell klar wurde, der Kirchenmusik noch ein Schauspielstudium anschließen zu wollen.
"Ich war am Ende meines Musikstudiums so gut wie andere am Tag ihrer Aufnahmeprüfung. Der Band I der Peters-Edition zu Bach war für mich gerade noch machbar, der mit den Romantiker dann schon nicht mehr." Und dass er einen "riesen Respekt vor 'Tanz-Muckern'" habe, die jeden Song auf ihrem Band-Instrument auswendig spielen und improvisieren könnten, räumt er ebenfalls ein. Nein, ein Instrument aufzugeben, da sei er auch bei den eigenen Kindern pädagogisch ganz klar, sei schlimmer als das Abi nicht zu schaffen. Schließlich habe das in Nordrhein-Westfalen ja mittlerweile jeder.
"Aber der Dom steht in Köln!"
Dass die Kirche am Ort zugleich auch "Partyzentrale" war, dass freiberufliche Kirchenmusiker die Todesanzeigen wie einen Wirtschaftsteil lesen, weil mit Hochzeiten und Beerdigungen die besten Geschäfte zu machen sind, gibt der Kabarettist ebenfalls mit viel Witz zum Besten. Und dass er den Renaissance-Meister Orlando di Lasso mag und die Choräle der großen Bach-Passionen. Er erzählt, dass die "Mundorgel" zu jeder Jugendfreizeit dazu gehörte – wie auch das geistliche Liedgut der 70er Jahre mit den Sacro-Pop-Songs, wie "Wenn das Rote Meer grüne Welle hat" von Piet Janssens.
Und noch etwas offenbart der Katholik, der in Kirchen bis heute gewohnheitsgemäß eine Kerze anzündet: Er liebt das Kirchenlied "Ein Haus voll Glorie schauet" – in "voller Dröhnung – und je mehr es im Mutterhaus kriselte". Bei allem bayrischen Patriotismus, streut er an anderer Stelle humorig ein, "aber der Dom steht in Köln!"
Werbung für den Kirchenmusiker-Beruf
Ganz nebenbei machen Bönig und Schmidt mit ihrem Auftritt auch Werbung für den Beruf des Kirchenmusikers. Es werde nie langweilig, schwärmt der Domorganist, der sich stundenlang nachts im menschenleeren Dom einschließt und übt. Wow, wie toll, denke er dabei so oft und räumt sogar einen "kleinen Suchtfaktor" ein. Auch wenn er in diesen Beruf zunächst mehr "reingerutscht" sei, betrachte er ihn heute als ein „unfassbares Glück“, das gleichzeitig die große Freiheit bedeute, immer wieder neue musikalische Ideen umsetzen zu können. "Gerade mal einen Prozent der gesamten Orgelliteratur habe ich bis heute gespielt. Da gibt es noch so unglaublich viel."
Bevor das Ende dieser kurzweiligen Veranstaltung, bei der unter dem ausgelassen-fröhlichen Dirigat von Harald Schmidt zum Schluss noch einmal alle sichtlich begeistert ans gemeinsame Singen aus der "Mundorgel" kommen, in begeistertem Applaus untergeht, gibt Domorganist Bönig noch eine Empfehlung aus: einfach viel häufiger in Orgelkonzerte zu gehen. "Oft sind die viel schöner, als man denkt."