Die Telefonseelsorge in Deutschland feiert ihren 60. Geburtstag. 2015 wandten sich Ratsuchende rund 1,8 Millionen mal über Festnetz oder Handy an die Berater; rund 6.300 Ratsuchende nutzten Mailkontakt. Die Zahl der Chat-Termine wuchs stark auf 9.800 an. Rund 8.000 Ehrenamtliche und 188 Hauptamtliche in bundesweit 105 Stellen sind rund um die Uhr für verzweifelte Menschen da. Ängste, seelische und körperliche Einschränkungen und Beziehungsfragen sind die häufigsten Themen, wie die Verantwortlichen am Dienstag in Köln mitteilten.
Bereitschaft Tag und Nacht
Der Sprecher der "Katholischen Konferenz für TelefonSeelsorge und Offene Tür", Michael Hillenkamp, verwies auf einen großen Einsatz ehrenamtlicher Helfer. "Nur wenn sie die Arbeit weiterhin als sinnvoll erleben, werden sich genügend von ihnen auch in Zukunft bereitfinden, Tag und Nacht, auch an Weihnachten die Ohren voll zu kriegen."
Hillenkamp kritisierte, dass Psychotherapeuten, Kliniken oder Betreuungseinrichtungen zur eigenen Entlastung zunehmend auf die Telefonseelsorge verwiesen. Sie könne aber nur das klärende Gespräch und emotionale Unterstützung von Menschen in Not anbieten. "Seelische Verbandsplätze allein reichen zur Unterstützung vielfach belasteter Menschen aber nicht aus."
Die Vorsitzende der "Evangelischen Konferenz für TelefonSeelsorge", Ruth Belzner, sprach von steigenden Anforderungen. So würden die Beratungen per Chat und Mail immer stärker nachgefragt. "Die noch stärkere Anonymität im Netz macht sehr scham- und angstbesetzte Themen beschreibbar: erlittene körperliche, seelische und sexualisierte Gewalt, Suizidalität, selbstverletzendes Verhalten."
Hilfe auch im Netz
Aus Anlass des Jubiläums findet der Weltkongress der Telefonseelsorge vom 19. bis 22. Juli in Aachen statt. Rund 1.600 Ehrenamtliche aus 33 Ländern werden sich unter dem Motto "Damit das Leben weiter geht" mit Hilfsmöglichkeiten für Menschen in suizidalen Krisen beschäftigen, teilte der Leiter der TelefonSeelsorge Aachen, Frank Ertel, mit. In Deutschland führten die Berater 2015 über 57.000 Anrufe zum Thema Suizid, in mehr als 8.000 Anrufen davon wurden ausdrücklich Suizid-Absichten geäußert.
Die Idee, Menschen per Telefon in Notsituationen zu helfen, holte der evangelische Pfarrer, Arzt und Psychotherapeut Klaus Thomas aus England nach Deutschland. 1956 richtete Thomas in Berlin die "Ärztliche Lebensmüdenbetreuung" ein. Bereits in den 1980er Jahren waren die Seelsorger am Telefon auch in ländlichen Gebieten Westdeutschlands nahezu flächendeckend zu erreichen. Seit 1997 können Anrufe gebührenfrei geführt werden, weil die Telekom die Kosten übernimmt.