Sie gehört zu den ältesten ökumenischen Aktivitäten und ist so unspektakulär, dass sie vom Radar der öffentlichen Wahrnehmung kaum erfasst wird. Dennoch gilt die Gebetswoche für die Einheit der Christen, die seit 1908 meist in der Zeit vom 18. bis 25. Januar in mittlerweile mehr als 70 Ländern gepflegt wird, zu den wichtigsten Initiativen in der Ökumene. In vielen Kirchengemeinden hat sie einen festen Platz und bringt die an der Einheit Interessierten zusammen.
In diesem Jahr könnte die Aufmerksamkeit für die Gebetswoche gerade in Deutschland größer sein als sonst. Denn die weltweit verwendeten Texte, die immer aus einem anderen Land stammen, kommen diesmal - passend zum Reformationsgedenkjahr - von hier. Bereits vor fünf Jahren hatte die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) ihren Wunsch angemeldet, damit einen "internationalen ökumenischen Akzent" setzen zu wollen. Die auf Welt-Ebene zuständigen Gremien - der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) in Genf und der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit der Christen in Rom - griffen das Anliegen auf und vergaben die Vorbereitung ins Ursprungsland der Reformation.
Thema: Versöhnung
Als Thema haben die Autoren in Anlehnung an einen Satz aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Christengemeinde in Korinth ausgewählt: "Versöhnung - die Liebe Christi drängt uns". Damit sollen, wie es in der Einführung heißt, zwei Akzente gesetzt werden: Zum einen soll es gehen "um die Feier der Liebe und Gnade Gottes, der den Menschen allein aus Gnade rechtfertigt", was zugleich dem Hauptanliegen der aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen Rechnung trägt. Zum anderen sollen "der Schmerz angesichts der tiefen Spaltungen, die aus der Reformation folgten, benannt und Schuld offen bekannt werden". Dies eröffne die Möglichkeit, Schritte auf dem Weg der Versöhnung zu gehen.
Damit verfolgen die Gebetstexte ein ähnliches Anliegen wie die von Katholiken und Lutheranern auf Weltebene sowie von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ausgearbeiteten Liturgien zum Reformationsgedenkjahr. Erstere wurde am 31. Oktober 2016 im schwedischen Lund von Papst Franziskus und den leitenden Geistlichen des Lutherischen Weltbunds in einem weltweit beachteten Gottesdienst gefeiert. Die zweite bildet die Vorlage für einen zentralen Buß- und Versöhnungsgottesdienst von katholischer Bischofskonferenz und EKD am 11. März in Hildesheim als weiteren Schritt der "Heilung der Erinnerung".
Gemeinsame Ausarbeitung
Die Texte für die Weltgebetswoche sind im Unterschied zu diesen Entwürfen nicht nur von Katholiken und Lutheranern beziehungsweise EKD-Vertretern ausgearbeitet worden. Es wirkten auch Vertreter der orthodoxen Kirche und der evangelischen Freikirchen mit, die in der ACK vertreten sind. Ihr Blick auf die Reformation und ihre Folgen unterscheidet sich in mancher Hinsicht von dem der beiden großen Kirchen. Zudem geht es eben nicht nur um einen einzelnen Gottesdienst, sondern um Angebote für eine ganze Woche, die je nach lokalen Gegebenheiten aufgegriffen werden können.
Ein Gottesdienstentwurf ist natürlich auch dabei, und dieser bezieht sich in seiner Symbolik auf den Fall der Berliner Mauer 1989. Die "Spaltung der Christen und die Versöhnung, die wir suchen", werden dabei durch den Bau und das Niederreißen einer Mauer veranschaulicht. "Dies kann zu einem Zeichen der Hoffnung in jeder Situation werden, in der Teilung als unüberwindbar erlebt wird", heißt es in der Einführung.
Der zentrale Gottesdienst für Deutschland findet am 22. Januar unter Beteiligung ungewöhnlich vieler Bischöfe in Wittenberg statt. Anschließend vergibt die ACK ihren diesjährigen Ökumenepreis: Ausgezeichnet wird die "Ökumenische Staffel der Gastfreundschaft", die 42 Kirchengemeinden unterschiedlicher Konfessionen im vergangenen September aus Anlass eines Ökumenischen Kirchentags in Bremen veranstaltet haben.