domradio.de: Solche "internationalen" Tage sind für die meisten von uns ja Anlass, sich an etwas zu erinnern, auf etwas aufmerksam zu werden. Worauf wollen Sie als Experte am Tag des Artenschutzes 2016 besonders aufmerksam machen?
Dr. Rainer Hagencord (Theologe und Zoologe am Institut für theologische Zoologie in Münster): Ich möchte an die Tatsache erinnern, dass es auch den sogenannten "Allerweltsarten" vom Kiebitz über den Spatz bis zur Feldlerche und den anderen Arten, die unspektakulärer sind, wie Bienen, Schmetterlinge oder Käfer, immer mehr an den Kragen geht. Als Theologe fasziniert mich die Enzyklika des Papstes "Laudato si", in der die Problematik, die mit dem Artenschwund einhergeht, sehr, sehr deutlich beschrieben wird. Ein Engagement, dem Artenschwund zu begegnen, sollte dringend zur Aufgabe aller Christinnen und Christen werden.
domradio.de: Für Christen geht es um die Bewahrung der Schöpfung. Was können wir denn dazu täglich beitragen?
Hagencord: Es fängt, glaube ich, beim Einkaufsverhalten an und endet bei der Gestaltung des Gartens oder auch des Balkons. Beim Artenschwund reden wir ganz schnell vom Problem der industriellen Landwirtschaft oder der industriellen Tierhaltung, denn viele der Insekten und der genannten "Allerweltsarten" verschwinden aufgrund einer immer stärker werdenden intensiven Landwirtschaft. Da sind Verbraucherinnen und Verbraucher gefordert, zu schauen, was man noch kaufen kann. Man müsste viel mehr beim Einkauf auf Siegel wie artgerechte Haltung achten und nicht mehr alles kaufen, nur weil es billig ist. Und ich möchte auch die Gemeinden und einzelne Christen ansprechen, die Gärten und einzelne Balkone so zu gestalten, dass Lebensräume beispielsweise für Insekten geschaffen werden. Das kann sogar für Kinder eine sehr spannende und verlockende Aufgabe sein, diese Arten zum einen kennenzulernen und Nisthilfen zu bauen und Gärten so zu gestalten, dass sie Nistplätze für Tiere sein können.
domradio.de: Im Moment sind wir ja in der Übergangszeit vom Winter in den Frühling. In der kalten Jahreszeit hängen ja viele Meisenknödel raus und viele lassen das im Frühling. Jetzt habe ich gehört, man solle die Vögel das ganze Jahr schützen. Stimmen Sie dem zu?
Hagencord: Vögel schützen auf jeden Fall, füttern würde ich nicht unbedingt tun. Das führt dazu, dass innerhalb der Populationen Ungerechtigkeiten entstehen. Die Natur sorgt eigentlich ganz gut dafür, dass da ein Gleichgewicht entsteht. Wobei hiermit auch schon das Problem benannt ist und das führt noch einmal über die Frage des Fütterns hinaus in die Frage, welche Lebensräume erhalten werden. Wo kann ich mich auch als Bürger dafür einsetzen, dass Hecken bestehen bleiben, dass nicht alles abgeholzt wird, dass Hölzer gepflanzt werden, die auch Vögeln Lebensraum bieten und nicht nur ästhetischen Kriterien genügen? Ich glaube, diese Gedanken würde ich gerne dazulegen.
Das Interview führte Susanne Becker-Huberti.