Theologe Lauster fordert radikale Abkehr von Volkskirche

Aus der "Dauerdepression" befreien

Der Theologe Jörg Lauster appelliert an die christlichen Kirchen, die von der Ampelkoalition angestrebte Beendigung der staatlichen Gelder an die Kirchen als Chance für einen radikalen Neuanfang zu nutzen. Die Zeit dafür sei reif.

Leere Stühle in einer Kirche / © MASSIMILIANO PAPADIA (shutterstock)
Leere Stühle in einer Kirche / © MASSIMILIANO PAPADIA ( shutterstock )

Das Modell der Volkskirche sei zwar eine Erfolgsgeschichte gewesen, doch das Rad der Geschichte habe sich weitergedreht, schreibt Lauster in der Zeitschrift "Publik-Forum" (Freitag). Das zeigten die aktuellen Kirchenaustrittszahlen.

Ein graues und ein weißes Collarhemd / © Cristian Gennari (KNA)
Ein graues und ein weißes Collarhemd / © Cristian Gennari ( KNA )

Zudem vergeudeten Pfarrerinnen und Pfarrer "kostbare Zeit mit religiös belanglosen Dingen". Pfarrer in Ortsgemeinden seien oft mit Dingen wie Bauerhalt, Personalangelegenheiten und Budgetfragen beschäftigt. Das halte sie von ihrem Auftrag ab: "Menschen allen Alters und aus allen gesellschaftlichen Schichten in ihren Gemeinden religiös zu begleiten", so der evangelische Theologe.

Radikaler Neuanfang gefordert

"Viele Pfarrerinnen und Pfarrer verlieren sich in Sonderfunktionen als Finanzmanager, Strategieplaner oder Medienschaffende in Funktionen, für die sie nicht ausgebildet sind, zu Recht nicht ausgebildet wurden, weil sie mit ihrem religiösen Auftrag nichts zu tun haben", schreibt Lauster.

Symbolbild Einsamer Kirchenbesucher auf einer Kirchenbank / © Jean-Matthieu Gautier (KNA)
Symbolbild Einsamer Kirchenbesucher auf einer Kirchenbank / © Jean-Matthieu Gautier ( KNA )

Nur ein radikaler Neuanfang könne die Kirche aus dieser "Dauerdepression" befreien, so der 57 Jahre alte Professor für Systematische Theologie an der evangelisch-theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Noch scheine allerdings die Strategie der Kirchen zu sein, "so viel wie möglich von den Vorzügen des volkskirchlichen Systems zu retten", beklagt Lauster. Die Kirchen hätten jetzt die Gelegenheit, sich neu aufzustellen. Der Theologe sieht "eine grandiose Erleichterung, wenn es gelänge, all den Ballast abzuwerfen, der sich im kirchlichen Alltag angesammelt hat".

Fragen und Antworten zu den Staatsleistungen an die Kirchen

Welche Leistungen des Staates resultieren bis heute aus der Enteignung der Kirchen vor rund 220 Jahren? Die weltlichen Landesherren haben im sogenannten Reichsdeputationshauptschluss von 1803 eine Vielzahl unterschiedlichster Leistungspflichten und Entschädigungszahlungen übernommen, die unter dem Begriff Staatsleistungen zusammengefasst sind. Dazu gehören etwa Baulasten für kirchliche Gebäude, Zuschüsse zur Besoldung des Klerus und viele andere Geld- und verschiedenste Sachleistungen.

Kirche aus gefalteten Geldscheinen / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kirche aus gefalteten Geldscheinen / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA