Theologe Lütz warnt vor Lockerung des Sterbehilfe-Gesetzes

"Sterbehilfe gibt es nur im Hospiz"

Der Bundestag stimmt über ein Gesetz zur Sterbehilfe ab. Der Theologe Manfred Lütz kritisierte im domradio.de-Interview die Forderung nach einem Suizid, der von Ärzten begleitet wird.

Autor, Psychotherapeut und Theologe Dr. Manfred Lütz (DR)
Autor, Psychotherapeut und Theologe Dr. Manfred Lütz / ( DR )

domradio.de. Es ist doch eigentlich merkwürdig, dass man sich erst jetzt abschließend mit diesem Thema beschäftigt. Gestorben wird ja nicht erst seit gestern.

Manfred Lütz (Theologe und Psychologe): Ja richtig, aber es gab ja aktuelle Anlässe. Es gibt diese unsäglichen Sterbevereine, wo Herr Roger Kusch, der ehemalige Justizsenator in Hamburg, zum Beispiel gegen Geld Leuten hilft, sich umzubringen. Und das ist so wider die Menschenwürde, das widerspricht dem allgemein menschlichen Empfinden, dass man da versucht, eine Gesetzesregelung zu finden, die das verhindert.

domradio.de: Gerade bei so brenzligen Themen, die manchmal ja auch eigene Familienmitglieder betreffen, wird eine Diskussion schnell unübersichtlich. Kann man überhaupt sagen: Hier steht eine Position gegen die andere, oder wie sieht das aus?

Lütz: Ja, das kann man sehr wohl sagen. Es gibt zwei, wie ich finde, katastrophale Positionen. Es sind Positionen, die den ärztlich assistierten Suizid ermöglichen sollen. Wenn die durchkommen, dann wird es eiskalt in unserer Gesellschaft, das finde ich ganz furchtbar. Denn das erhöht natürlich den Druck auf Kranke, Demenzkranke. auf chronisch Kranke, auf alte Menschen, dass sie ihrer Familie sozusagen nicht mehr zur Last fallen wollen. Sie werden sich überlegen: Kann ich das meiner Familie noch zumuten? Wenn man sich diese Frage stellen muss, dann wird es eiskalt in unserer Gesellschaft. Bevor solche Anträge durchkommen, wäre es besser, wenn sich gar nichts ändert. 

domradio.de: Es wird oft mit der freien Entscheidung des Kranken argumentiert, der am Ende seines Lebens das Recht bekommen soll, sein Leben zu beenden und dafür eben Hilfe benötigt.

Lütz: Das sind so Wortspielchen, die ich ganz übel finde. Die seriösen Teilnehmer einer Debatte auf der anderen Seite lassen das inzwischen auch. Man sagt, es sei Sterbehilfe. Das ist ein Euphemismus, das ist eine Wortverdrehung, die unglaublich ist. Wenn ich jemandem helfe, sich zu töten, dann ist das Hilfe bei der Tötung eines Menschen. Und das muss man dann auch so sagen. Die einzige Sterbehilfe und das selbstbestimmte Sterben gibt es aus meiner Sicht zu Hause oder im Hospiz. Im Hospiz ist nicht mehr die Krankheitsheilung im Vordergrund, sondern dort steht im Vordergrund, was der Patient will. Wenn er unbedingt noch länger leben will, um noch die Tochter zu sehen, die in Australien lebt, dann wird der Hospizarzt das tun. Und wenn ein Krebspatient mit seinem Leben abgeschlossen hat, dann wird der Hospizarzt die akute Krankheit nicht mehr behandeln, sondern nur noch Schmerztherapie machen. Das heißt, das selbstbestimmte Sterben gibt es im Hospiz.

domradio.de: Welche Reaktionen erwarten Sie von der Öffentlichkeit oder von Sozialverbänden, wenn ein Gesetz verabschiedet wird? Was kann da noch alles kommen?

Lütz: Das Gute an der Diskussion ist, dass die Öffentlichkeit wieder intensiver diskutiert hat über Hospizbewegungen und über Palliativmedizin. Man muss wissen, die Hospizbewegung ist von katholischen Orden gegründet worden sizusagen. Die haben sterbenskranke Menschen in Altenheimen aufgenommen. Ich war befreundet mit Dr. Türks, einem Oratorianerpater in Aachen, der hat das erste deutsche Hospiz gegründet damals. Und die Bischofskonferenz hatte das noch gar nicht richtig verstanden, später hat Kardinal Ratzinger sich sehr dafür eingesetzt und dann hat auch die Bischofskonferenz entsprechende Texte gemacht. Und die Kirche, auch die evangelische, hat sich sehr engagiert. Und ich denke, das wichtigste, was wir tun müssen, das sagt ja auch Papst Franziskus: Wir müssen Menschen in Not helfen. Wir können am ehesten etwas gegen die Suizid-Atmosphäre tun, indem wir Menschen beistehen, die sterbenskrank sind, indem wir Hospize fördern und auch ehrenamtliche Hospizarbei fördern. Wir müssen respektvoll mit sterbenskranken und dementen Menschen umgehen und den Menschen nicht nur über seine Fähigkeiten definieren. Wir müssen den eigentliche Menschen nicht nur im Lebensglück sehen, sondern auch im Leid und in der Not. Das Mitleid ist eine christliche Erfindung und das müssen wir noch einmal deutlicher ins Licht stellen.

Das Interview führte Daniel Hauser.


Quelle:
DR