DOMRADIO.DE: Was macht denn ein Priester als externer wissenschaftlicher Sachverständiger in dieser Kommission?
Prof. Dr. Dr. Elmar Nass (Lehrstuhl für Christliche Sozialwissenschaften und gesellschaftlichen Dialog an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie): Als Priester hat man Theologie studiert und in der Theologie geht es auch um soziale Werte. Mein Schwerpunkt in der Wissenschaft war immer schon die Frage der sozialen Gerechtigkeit, vor allen Dingen auch mit Blick auf die Wirtschaft und die Wirtschaftsordnung. Das sind Dinge, die im Rahmen der christlichen Sozialethik auch Fach der Theologie sind.
Das ist meine Leidenschaft, die mich schon seit langem - eigentlich mein ganzes wissenschaftliches Leben, aber auch vorher schon - begleitet hat. Ich bin auch Bankkaufmann von Beruf, habe Wirtschaft und Theologie studiert und freue mich jetzt, dass ich mit diesen Wertethemen, die heute in der Politik mehr denn je wichtig sind, hier mitgestalten kann.
Theologie soll ja auch Gesellschaftswissenschaft sein. Wir wollen als Christen, als Theologen, nicht nur am Rand stehen und Statisten sein, sondern Politik und Gesellschaft mitgestalten.
Deswegen freue ich mich sehr, dass ich als Priester, der auch Sozialwissenschaftler ist, hier in diesem Bereich christliche Werte einbringen kann, damit Politik nicht nur pragmatisch nach Lösungen sucht, sondern sich auch auf ein Wertefundament berufen kann.
Das Christliche ist aus meiner Überzeugung ein sehr starkes Wertefundament, was wir hier einbringen können und sollen. Da sehe ich ein bisschen meine Aufgabe, hier Anwalt genau dieser christlichen Werte zu sein.
DOMRADIO.DE: Das heißt, wenn man über die Werte spricht, die auch in dem "C" der CDU stecken, also der Christlichen Demokratischen Union, dann versuchen Sie, dieses "C" zu stärken. Ist das richtig?
Nass: Ja, ganz genau. Das hat auch Friedrich Merz (CDU-Vorsitzender, Anm. d. Red.) zum Ausdruck gebracht, dass für ihn das "C" nicht zur Disposition steht.
Ich betone allerdings auch noch mal: Ich bin externer wissenschaftlicher Sachverständiger. Ich bin nicht sozusagen als Parteisoldat da hineingerutscht, sondern angefragt worden.
In der Charta zu den Grundwerten des Grundsatzprogramms, die gestern in Berlin vorgestellt wurde, steht ausdrücklich auch die Orientierung am christlichen Menschen und am christlichen Gesellschaftsbild drin. Da kann man natürlich leicht erstmal sagen: Wir orientieren uns am christlichen Menschenbild. Wir sind für Nächstenliebe, wir sind für Solidarität. Das kann man alles aus dem Christlichen ableiten.
Aber es ist zu wenig, wenn wir uns nur an Worten orientieren, sondern es müssen auch Inhalte damit transportiert werden. Das heißt, ein Kultur-Christentum, das im Grunde die Begründungen vergessen hat, ist zu wenig.
Und genau das möchte ich auch wieder stark machen, dass wir uns wieder auf die Quellen besinnen, warum wir für Nächstenliebe sind, was das bedeutet, was soziale Gerechtigkeit eigentlich bedeutet, ganz bewusst abgeleitet aus diesem Menschenbild, was letztlich darin begründet ist, dass jeder Mensch Gottes Ebenbild ist.
Das ist eine offene Einladung für die offene, pluralistische Gesellschaft. Das herauszustellen und stark zu machen und wieder stärker in Erinnerung zu rufen, ist, glaube ich, auch für die CDU notwendig.
DOMRADIO.DE: Wie ist die Arbeitsweise dieser Kommission?
Nass: Die Kommission hat ein ziemlich strammes Programm. Hinter dem Begriff "Wohlstand" beispielsweise verbirgt sich letztlich auch die Idee von Ludwig Erhard, also Wohlstand für alle, soziale Marktwirtschaft. Aber soziale Marktwirtschaft soll weiter gedacht werden, gerade auch der Bereich der Schöpfung soll stärker mit einbezogen werden. Das ist die ganz große Herausforderung übrigens auch einer christlichen Sozialethik, nicht nur wirtschaftliche, sondern auch ökologische und soziale Fragen zusammen zu behandeln.
Wir treffen uns jetzt erst mal ziemlich stramm, also mehr oder minder jeden Monat. Die erste Sitzung hat in Berlin schon stattgefunden. Man konnte sich aber auch digital zuschalten. Es werden einzelne Themen vorgegeben. In der ersten Sitzung ging es um das Thema Arbeitsmarkt, Zukunft des Arbeitsmarktes. Es sind immer Experten zu den einzelnen Themen eingeladen. Da waren jetzt Arbeitsmarktforscher, Vertreter von Gewerkschaft und von Arbeitgebern, die Impulsreferate gehalten haben.
Und dann wird darüber diskutiert. Also, es werden erstmal der Sachstand, die Lage, die Probleme unserer Zeit, die Herausforderungen dargestellt. Dann wird gefragt, wie eine zukunftsfähige Politik aussehen kann. Da wird erstmal gar nicht gesagt: Das muss CDU-intern so und so sein, sondern es soll eine Politik für Menschen sein, die die Menschen erreicht, die die Herausforderung der Menschen anspricht. Als nächstes wird erst geguckt, wie das in das CDU Programm passt.
Es wird voraussichtlich im September eine Präsenzverantstaltung in Berlin geben, eine Klausurtagung, wo man sich dann auch endlich mal persönlich trifft. Da kann man natürlich noch mehr in den Austausch kommen. Es ist sehr spannend, weil auch kontrovers diskutiert wird. Es ist nicht so, dass alle einer Meinung sind, sondern man lernt da auch gute Streitkultur und das, fand ich, war wirklich ein guter Start.
Das Interview führte Tobias Fricke.