KNA: Was sind die Hintergründe für diese Überprüfung?
Ruthard Ott (Theologe und Psychotherapeut): Im Ordensleben gibt es eine gestufte Bindung – das Kloster auf Zeit, das Postulat, das Noviziat... Die meisten melden sich zu Übergängen von einer Phase in die nächste zur Beratung an. Manche Anwärter melden sich selbst, bei anderen wünscht sich der Ausbildungsverantwortliche eine Überprüfung. Unser Check ist aber immer freiwillig. Am Anfang schauen wir: Ist jemand psychisch stabil, oder gibt es Krankheitsbefunde wie etwa Depressionen? Außerdem sehen wir uns die sozialen Kompetenzen der Bewerber an.
KNA: Wie lassen sich die messen?
Ott: Wir haben insgesamt vier Gespräche: Eines führt unsere Psychologin. Ich lege als Theologe und Psychologe den Schwerpunkt auf pastoralpsychologische Themen. Dann gibt es eine Unterhaltung mit einem Ordensbruder oder einer Ordensschwester, die das Klosterleben kennen. Zum Schluss führen wir zu dritt ein offenes Auswertungsgespräch mit dem Interessenten und den Ausbildungsverantwortlichen. Dabei ist wichtig, dass wir von der Schweigepflicht, etwa gegenüber dem Novizenmeister, entbunden werden.
KNA: Ist das Ergebnis der Analyse verbindlich?
Ott: Wir schreiben keine Gutachten, geben den Ausbildungsverantwortlichen aber konkrete Empfehlungen. Wir sprechen zum Beispiel öfters mit Menschen, die eine berufliche Identität entwickelt haben, etwa selbstständig gearbeitet und darüber Anerkennung erfahren haben. So jemandem kann es nicht auf Dauer gut tun, im Kloster nur die Gänge zu putzen oder andere einfache Dienste zu machen.
KNA: ...sondern?
Ott: In diesem Fall empfehlen wir einen Aufgabenbereich, in dem der Interessent das, was er mitbringt, einsetzen kann. Das kollidiert natürlich mit klassischen Vorstellungen vom Kloster, aber moderne Novizenmeister haben meist ein Gefühl dafür.
KNA: Haben sich die Anforderungen an Ordensleute verändert?
Ott: Die Klöster haben über die Jahrhunderte immer Menschen aufgenommen, die körperlich oder auch charakterlich gehandicapt waren. Die Toleranzgrenze in den Ordensgemeinschaften hat sich da nach unten verschoben. Klöster mit Außenkontakt verlangen verstärkt nach "fitten Leuten". Aus Priesterseminaren habe ich überweniger stabile Kandidaten schon häufiger gehört: "Wir sind keine therapeutische Gemeinschaft!" Ich sage dann: "Aber Sie sind eine Weggemeinschaft." Wir müssen die Menschen, die anklopfen, mitgehen lassen.
KNA: Werden alle Anwärter, die Sie beraten, Priester oder gehen ins Kloster?
Ott: Ich gehe davon aus, dass alle, die bisher bei uns die psychologisch-spirituelle Einschätzung absolviert haben, auch genommen worden sind. Wir haben natürlich keinen Überblick, wie weit der Weg geht. Der Eintritt in ein Kloster ist ja auch nicht wie bei der klassischen Ehe sofort komplett verbindlich.
KNA: Welche Qualitäten sollten angehende Ordensleute oder Pfarrer mitbringen?
Ott: Früher war klar: Die Leute müssen ihre eigene Bedürftigkeit überwinden und für andere da sein. Damit sind auch Disziplin und Askese verbunden. Heute machen wir vielfach die Erfahrung: Es geht auch um gesunde Selbstfürsorge. Wer ins Kloster geht, sollte nicht seine Hobbys oder seine Persönlichkeit ablegen. Einige brauchen ein regelrechtes Genusstraining: Sie müssen lernen, sich etwas zu gönnen. Daneben sind etwa emotionale Stabilität und Empathie wichtig. Der Bewerber sollte auch Naturverbundenheit und generell Liebe zur Schöpfungswirklichkeit zeigen. Auf den Punkt gebracht: Man muss Menschen mögen.