Das schreibt der Vorsitzende der Aufarbeitungskommission des Erzbistums Freiburg in einem Gastbeitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" (Donnerstag).
Die historischen Aufarbeitungsprozesse könnten ähnlich wie in der katholischen Kirche nur regional stattfinden, so Striet. "Für die 20 Landeskirchen der EKD muss das bedeuten: Unabhängige Aufklärung ist notwendig, und wenn Amtsträger ihrer Verantwortung wissentlich nicht gerecht wurden, muss das benannt werden."
Ausmaß größer als bisher bekannt
Die erste bundesweite Missbrauchsstudie für evangelische Kirche und Diakonie war vergangene Woche in Hannover vorgestellt worden. Demnach ist das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche viel größer als bisher bekannt. Zudem stellen die Autoren der Kirche im Umgang mit Betroffenen ein schlechtes Zeugnis aus. Namen von verantwortlichen Amtsträgern nennen sie jedoch nicht. Für die katholische Kirche hatten Forscher bereits 2018 eine bundesweite Studie vorgestellt. Daraufhin hatten viele Bistümer regionale Untersuchungen in Auftrag gegeben.
Offenbarungseide werden erwartet
Laut Striet hat die bistumsbezogene Aufarbeitung in der katholischen Kirche inzwischen so manchen Kirchenfürsten vom Denkmal gestoßen. Als Beispiele nannte er die Kardinäle Joachim Meisner, Karl Lehmann, Joseph Höffner und Julius Döpfner sowie den früheren Freiburger Erzbischof und Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. "Mit Spannung kann erwartet werden, wer auf evangelischer Seite noch den Offenbarungseid wird leisten müssen."
Dieser Prozess sei schmerzhaft, räumt der Theologe ein. "Aber schließlich haben die Betroffenen sexualisierter Gewalt ein Leben lang mit den Folgen zu kämpfen."
Striet fordert außerdem, die Politik solle sich des Themas entschiedener annehmen als bisher. Es brauche eine nicht auf kirchliche Einrichtungen beschränkte große Dunkelfeldstudie, die das gesamte Ausmaß des Missbrauchs in Deutschland in den Blick nehme.