DOMRADIO.DE: Glauben Sie, dass beim Fußball der liebe Gott die Hand im Spiel hat?
Dr. Thorsten Kapperer (Pastoralreferent und Beauftragter für Kirche und Sport im Bistum Würzburg): Wir stehen kurz vor dem Weihnachtsfest und an Weihnachten feiern wir die Geburt Jesu. Dadurch wird jedes Jahr wieder deutlich, dass Gott in diese Welt kommt und eingreift, auch ganz konkret in dieser Welt erfahrbar wird. Von daher: Warum nicht auch beim Fußball?
DOMRADIO.DE: Messi hat ja gesagt: "Ich wusste, dass Gott es mir geben würde." - Was halten Sie in dem Zusammenhang von so einem Spruch?
Kapperer: Grundsätzlich finde ich die Aussage sehr inspirierend, weil sie uns doch auch nachdenklich machen kann darüber, wie Gott auch in unser Leben eingreift. Jetzt ist vielleicht unser Leben nicht immer so spektakulär wie das von Messi und Mbappé und auch am Sonntag im Rahmen dieses WM-Finales. Das waren ja Superlative, die sich da überschlagen haben.
Aber ich glaube dennoch, das wir es – ich würde es fast sagen – als weihnachtliche Botschaft von Messi mitnehmen können, einfach mal darüber nachzudenken, wie Gott in meinem Leben ganz konkret geboren werden möchte.
DOMRADIO.DE: Beim Endspiel gab es Kreuzzeichen, bevor die Spieler auf den Platz liefen oder kleine Gebete. Auch die Tattoos hatten ziemlich viele religiöse Motive. Ist das Glaube oder doch eher Aberglaube?
Kapperer: Aberglaube würde ich nicht sagen. Ich hätte auch nicht die Hochnäsigkeit als Theologe, das dann so abzuqualifizieren oder überhaupt zu qualifizieren, weil es für mich zunächst einmal ein Zeichen ganz persönlicher Frömmigkeit ist, wo jeder für sich entscheiden muss, wie er das handhabt, wie er das interpretiert. Das ist ja kein Dogma, das da auf dem Platz verkündet wird, sondern Zeichen von persönlicher Religiosität.
Daher finde ich das, was da am Sonntag passiert ist, schon interessant und spannend. Das habe ich selbst hier in Unterfranken, wo ich das geschaut habe, über den Fernseher gespürt wie viele, viele andere auch, was sich da ereignet hat. Bei aller Kritik an Katar, aber rein auf den Sport bezogen: Das war doch so ein Wahnsinn, dass dann schon wahnsinnig viele Leute vielleicht doch nach etwas Größerem suchen.
Man kann das mit Superlativen gar nicht mehr beschreiben, was da geschehen ist und dass man dann doch noch so eine Dimension im Leben hat – ich sage jetzt "Transzendenz" als Theologe – , dass es dann doch noch etwas mehr gibt, das finde ich schon ganz interessant.
DOMRADIO.DE: Auf der anderen Seite könnte man ja sagen, dass das zwei so tolle Mannschaften waren und in beiden Mannschaften gab es ja Spieler, die sich durch Kreuzzeichen oder ähnliches auf Gott bezogen haben. Aber nur eine hat gewonnen. In welche Funktion gerät Gott denn da?
Kapperer: Messi hat gesagt: "Ich wusste, dass Gott ..." – Wenn ich jetzt ganz streng bin, würde ich sagen, dass man das so nicht behaupten kann. So können wir Gott nicht instrumentalisieren. Ich denke, er hat es eher so gemeint, dass er einfach ein wahnsinnig gutes Gefühl hat, dass es jetzt klappt. Das Gefühl hatte ich auch und hatten viele andere Fußballfans, dass es jetzt einfach mal an der Reihe war, dass die Argentinier gewinnen.
Dass wir jetzt Gott aber insoweit vereinnahmen, dass wir das schon vorher wissen, das wäre ja ein mechanisches Gottesbild. Dann müsste man ja im Umkehrschluss auch sagen, dass Gott dann nicht wollte, dass die Franzosen den Titel verteidigen. Das kann man natürlich nicht behaupten.
DOMRADIO.DE: Aber man könnte schon vermuten, starker Glaube kann auch beim sportlichen Erfolg helfen.
Kapperer: Definitiv. Einfach das Gebet, das kann ich immer machen. Aber ich kann nicht beten, dass meine Mannschaft gewinnt. Ich kann einfach darum bitten, dass ich als Sportler eine gute Leistung bringe, dass ich Glück habe.
Das, was ich mir vorgenommen habe, da steckt ja unglaublich viel Training und Fleiß dahinter. Dass das gelingt, dafür kann ich bitten und das kann ja dann jede Mannschaft machen.
DOMRADIO.DE: Können denn Religion und Fußball jeweils etwas voneinander lernen?
Kapperer: Auf jeden Fall jede Menge. Wenn ich vom Fußball in die Religion blicke. Da ist schon das Thema Fairplay und auch Barmherzigkeit ein großes Thema, gerade in diesen Millionen-, Milliardengeschäft. Wie sind wir noch authentisch?
Aber auch umgekehrt: Wenn ich dann von der Religion in den Fußball reinschaue, was Sprache angeht, was die Leidenschaft angeht, was Ästhetik angeht, da gibt es doch auch jede Menge in die Richtung zu lernen.
Das Interview führte Heike Sicconi.