Theologe sieht in Österreich-Politik wenig Parallelen zu Deutschland

"Zu unterschiedlich"

In Österreich hat die rechtsnationale Partei FPÖ den Auftrag erhalten, eine neue Regierung zu bilden. Der Wiener Theologe Ulrich Körtner analysiert die Lage und zieht nur vorsichtige Parallelen zwischen der FPÖ und der deutschen AfD.

Österreichs FPÖ-Chef Herbert Kickl verlässt das Präsidialamt nach einem Treffen mit Bundespräsident Van der Bellen. / © Heinz-Peter Bader/AP (dpa)
Österreichs FPÖ-Chef Herbert Kickl verlässt das Präsidialamt nach einem Treffen mit Bundespräsident Van der Bellen. / © Heinz-Peter Bader/AP ( dpa )

Mit Blick auf die voraussichtliche Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich warnt der Wiener Theologe Ulrich Körtner davor, voreilig Parallelen mit der Situation in Deutschland zu ziehen. "Die politische Landschaft in beiden Ländern ist zu unterschiedlich", sagte der Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien dem Evangelischen Pressedienst (epd). 

Die FPÖ sei in Österreich bereits seit Jahrzehnten etabliert und habe mehrfach Regierungsverantwortung getragen. Ihre rechtsextremen Tendenzen stellten gleichwohl eine ernste Gefahr für Österreich und Europa dar. Am Montag hatte Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen den rechtsnationalen Politiker und FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der Regierungsbildung beauftragt.

Staatstragenden Parteien sind ausgelaugt

Körtner mahnte, die historischen und politischen Kontexte beider Länder zu berücksichtigen und warnte vor vereinfachenden Schlussfolgerungen. Die jetzige Situation sei entstanden, weil alle Parteien eine Regierung mit Kickl kategorisch ausschlossen: "Das genaue Gegenteil ist eingetreten." 

FPÖ-Parteichef Herbert Kickl gestikuliert beim Wahlkampfauftakt der FPÖ in Graz / © Erwin Scheriau/APA (dpa)
FPÖ-Parteichef Herbert Kickl gestikuliert beim Wahlkampfauftakt der FPÖ in Graz / © Erwin Scheriau/APA ( dpa )

Die FPÖ ist mit fast 29 Prozent stärkste Kraft geworden, die ÖVP hat mit rund 26 Prozent ihr schlechtestes Wahlergebnis in der Geschichte eingefahren. Die SPÖ liegt bei rund 21 Prozent. Die ehemals staatstragenden Parteien, die lange die Große Koalition gebildet haben, also ÖVP und SPÖ, sind Körtner zufolge "im Grunde ideologisch ausgelaugt, aber auch in ihrer Pragmatik".

FPÖ ist viel gefestigter

Körtner, der evangelische Theologie in Bethel, Münster und Göttingen studiert hatte und auch mal Gemeindepfarrer in Bielefeld war, äußerte sich zudem vorsichtig zu Vergleichen zwischen FPÖ und AfD. Die FPÖ sei mit der AfD verschwistert, aber die FPÖ habe eine andere Entstehungsgeschichte als die AfD. 

Symbolbild Werbematerial der AfD neben einem Computer / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Werbematerial der AfD neben einem Computer / © Harald Oppitz ( KNA )

"Es gibt einen Strang in der Geschichte der FPÖ, der geht zurück auf die 1848er Revolutionszeiten." Zudem sei die FPÖ in der Fläche schon lange vertreten. Es gebe viele FPÖ-Bürgermeister und die Partei sei momentan in fünf Landesregierungen mit vertreten. In der Steiermark stelle die FPÖ erstmals den Landeshauptmann. Das habe es zuletzt in Kärnten mit Jörg Haider (1950-2008) vor Jahrzehnten gegeben.

Christentum verliert an Bedeutung

Insgesamt nehme auch der Einfluss der Kirchen und der christlichen Prägekräfte in der österreichischen Gesellschaft und Politik dramatisch ab, räumte der Theologe ein. Kirchenpolitisch bedeutsam sei, dass der christlich soziale Flügel in der ÖVP, der sich auf die katholische Soziallehre gestützt haben, "völlig marginalisiert ist". Von den ganzen christlichen Inhalten sei bei der ÖVP nicht mehr viel übrig geblieben.

Für viele sei die innere Verbindung zum Christentum weggebrochen, sagte Körtner weiter. Unabhängig davon, wie jetzt diese Koalitionsverhandlungen laufen und ob Kickl am Ende Kanzler wird oder nicht: "Der Einfluss des Christentums, ob nun katholisch oder evangelisch, der ist spürbar zurückgegangen." Für Deutschland wäre das in manchem vergleichbar.

Quelle:
KNA