Bei seiner Rede am Mittwoch habe Putin prowestliche Russen als "Volksverräter" bezeichnet und zu einer "Selbstreinigung" der Gesellschaft aufgefordert, so Tück in einem Beitrag auf katholisch.at, dem Internetportal der katholischen Kirche in Österreich. Vor allem aber habe Putin "ein Tabu gebrochen", als er mit Blick auf den Ukraine-Krieg von einer "Endlösung" gesprochen habe. Damit hatten die Nationalsozialisten 1942 ihren Entschluss zur Vernichtung der europäischen Juden bezeichnet.
Argumentation Putins widersprüchlich
Der russische Präsident habe mit dem Wort unterstreichen wollen, dass er die "ukrainische Frage" notfalls mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln lösen werde, schreibt Tück und stellt die Frage: "Ob hier auch die Androhung mitzuhören ist, bei einer Intervention des Westens atomare Waffen zum Einsatz zu bringen?"
Putins Argumentation münde in einen Selbstwiderspruch, analysiert der Theologe: Er gebe vor, die Ukraine "entnazifizieren" zu wollen, und benutze gleichzeitig NS-Vokabular, mit dem er Freund-Feind-Schemata zementiere und eine "Entwürdigungsrhetorik" bediene. Die Absicht zur "Entnazifizierung" sei auch insofern absurd, als die Ukraine "von einem Präsidenten jüdischer Herkunft regiert wird, der Vorfahren in den Lagern der Nazis verloren hat". Gewiss habe es in der Ukraine nationalistische Kräfte gegeben, so Tück. Doch hätten diese einen "äußerst geringen Einfluss", der eine solch massive Eskalation keinesfalls rechtfertigen könnte.
Gegen Putins Eskalation der politischen Sprache, gegen "ideologische Gleichschaltung und Freund-Feind-Unterscheidungen" müsste nach Meinung von Tück "auch die Kirche laut ihre Stimme erheben". Das Moskauer Patriarchat schweige aber beharrlich - "und dieses Schweigen schreit zum Himmel".