Die Befreiungstheologie reagierte auf die politische und soziale Situation Lateinamerikas in den 1960er und 70er Jahren. Angesichts der Massenarmut hatte 1968 der Lateinamerikanische Bischofsrat CELAM die "Option für die Armen" zum Handlungsmaßstab erklärt. Es entstanden Tausende sozialpolitisch engagierter "Basisgemeinden".
Kritik an marxistischen Deutungsmustern
Der Vatikan kritisierte, dass bestimmte Vertreter der Befreiungstheologie in ihrer Gesellschaftsanalyse auch marxistische Deutungsmuster gebrauchten. Zahlreiche Theologen und Priester wurden mit Lehr- und Schreibverboten belegt oder suspendiert.
Die Glaubenskongregation unter Kardinal Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. (2005-2013), stellte 1984 und 1986 in zwei Instruktionen die Unvereinbarkeit einer marxistisch verstandenen Befreiungstheologie mit der kirchlichen Lehre fest. Diese Form der Theologie missverstehe die Idee des Gottesreichs und verrate den Glauben zugunsten revolutionärer Projekte.
Einzug in die Sozialverkündigung
Nach dem Scheitern des Kommunismus in Europa nahm das Medieninteresse an der Befreiungstheologie ab. Allerdings fand die "vorrangige Option für die Armen" verstärkt Niederschlag auch in der lehramtlichen Sozialverkündigung der Kirche. Mit der Wahl des Lateinamerikaners Jorge Mario Bergoglio zum Papst rückten die Themen Armut und Ausgrenzung neu in den Fokus.
Zu den bekanntesten Vertretern der Befreiungstheologie zählen die Brüder Leonardo und Clodovis Boff aus Brasilien, der nicaraguanische Ex-Kulturminister Ernesto Cardenal, der 1980 ermordete salvadorianische Erzbischof Oscar Romero, der 1999 verstorbene brasilianische Bischof Dom Helder Camara und der Peruaner Gustavo Gutierrez. Dessen Buch "Teologia de la liberacion" gab der Bewegung ihren Namen.