"Übrig geblieben", "schräg drauf", "keinen abbekommen" - Singles müssen sich so manche Kommentare anhören. Von solchen Bemerkungen hält Tina Tschage gar nichts. Die Theologin hat das ermutigende Buch "Einzelstück" geschrieben, in dem sie dafür wirbt, selbstbewusst zu dieser mitunter ungewollten Lebensform zu stehen und sich nicht nur als Mängelwesen zu definieren, dem die vermeintlich "bessere Hälfte" fehlt. Sie will, "dass jeder Single das Solo seines Lebens genießt".
Singles fühlten sich zuweilen als übrig gebliebene Restposten. Die Wahlmünchnerin sieht in ihnen stattdessen "wunderbare Einzelstücke. Unikate aus der Hand Gottes. Liebevoll gemacht bis ins Detail". Tschage - selbst Single-Frau - weiß, wovon sie schreibt. Auch sie habe versucht, einen Partner zu finden. Doch weder im Studium noch an der Gemüsetheke stellte sich spontane Sympathie ein, und auch die Suche im Internet erwies sich als Flop.
Nicht nur auf Mr. oder Mrs. Right warten
Tschages Leben kreist nicht um die Partnersuche - "wenn einer kommt, freue ich mich. Wenn nicht, dann habe ich weder etwas verpasst noch werde ich jemals traurig und verbittert sein", sagt die Autorin selbstbewusst. Sie ist mit ihrem Leben zufrieden. Dazu möchte sie auch anderen verhelfen.
Die PR-Fachfrau, Jahrgang 1982, warnt Alleinstehende davor, allzu viel Zeit mit dem Warten auf Mr. oder Mrs. Right zu verbringen. "Menschen, die warten, vergessen, ihr Leben zu leben", findet Tschage. Sie ermuntert dazu, das Hier und Jetzt zu genießen, nichts auf später zu verschieben und sich selbst Wünsche und Träume zu erfüllen. Ob man mit dem Dasein als "Einzelstück" zufrieden ist, hält sie für eine Einstellungssache - "Leben ist, was Du daraus machst".
Das Leben aktiv in die Hand nehmen
Trübsal zu blasen, sich zurückzuziehen und mit seinem Schicksal zu hadern, bringt aus Sicht der Journalistin nichts. Die Alternative: das Leben aktiv in die Hand nehmen, seine Einstellungen ändern, sich selbst lieben, die eigenen Bedürfnisse ernst nehmen, an sich und seiner Ausstrahlung arbeiten, sich der Vorteile des Single-Daseins klar werden. Schließlich sei das Leben mit Partner auch nicht immer einfach und rosig. "Mir sagte mal jemand, dass sich die Probleme eigentlich nur ändern."
Dass Tschage mit ihrem Alleinleben so versöhnt ist, hat zwei Gründe. Da ist zum einen ihr Glaube an einen Gott, der ihr auch ohne Partner "ein Leben in Fülle" verheißt. "Der einzige, auf den es sich wirklich und immer lohnt zu warten, ist Gott." Wenn die Beziehung zu ihm stimme, gelinge jedes Leben, ist die Autorin überzeugt. Schon Jesus habe gesagt, dass nicht alle Menschen zur Ehe berufen seien. Eine Alleinlebende beschreibt in dem Buch, dass sie sich "ausgesondert für meinen Herrn" fühlt. Auch das Alleinleben kann so zur Berufung werden. Tschage gibt zudem zu bedenken, dass Frauen dem Leben auch andere "Früchte" als Kinder schenken könnten.
Leben in einer christlichen Lebensgemeinschaft
Der andere Grund für Tschages Gelassenheit ist das gemeinsame Wohnen mit ihrer Freundin, die sie durch alle Höhen und Tiefen trägt. Die beiden "Glaubensschwestern" seien dabei mitunter schief angesehen worden, weil ihnen eine lesbische Beziehung unterstellt wurde. Tschage betont: Sie und ihre Mitwohnerin seien "Lebensgefährtinnen, Gefährtinnen fürs Leben", die miteinander verbunden sind und in allen Lebenslagen füreinander da sind und Verantwortung füreinander übernehmen. Inzwischen hat sich der christlichen Lebensgemeinschaft auch eine Familie mit zwei Kindern angeschlossen.
Zu solchen unkonventionellen Lebensmodellen ermutigt sie auch andere alleinstehende Menschen, die sich nach mehr Gemeinschaft sehnen. Es gebe viele Möglichkeiten, sich zu vernetzen, der "Single-Tristesse" zu trotzen und das Leben miteinander zu teilen - sei es durch regelmäßige Telefonate, die über Smalltalk hinausgehen, Wohn- und Hausgemeinschaften oder enge Kontakte zu Menschen in der Nachbarschaft. "Leben in einer tragfähigen Gemeinschaft kann für alle heilsam und wunderbar sein", ist Tschage überzeugt.
Zusammenleben: Fürsorge, aber auch Streit
Zumal das Leben mit anderen dazu auch verhelfen könne, überhaupt oder wieder "gemeinschaftsfähig" zu werden. "Viele Singles haben es nie gelernt oder aber verlernt, sich auf andere einzustellen." Beim Zusammenleben erlebe man "Annahme, Fürsorge und Ermutigung", aber auch Reibereien, Streit und Versöhnung. Tschage gehört dem Netzwerk "Es muss was Anderes geben" (EmwAg) an, das "innovative und alltagstaugliche Formen" sucht, das Leben miteinander zu teilen.
In einem Leben "an der Seite von Menschen, die es gut mit einem meinen", sieht die Theologin die Lösung "für viele der Single-Probleme". Menschen seien nicht als "Alleinleber" geschaffen. "Wir gehören zusammen. Wir brauchen Zusammengehörigkeit und Verbundenheit mit anderen Menschen, um wirklich leben zu können." Es gelte Gelegenheiten und den Raum dafür zu schaffen, "wir sollten viel mehr füreinander da sein und uns offene Ohren schenken". Eine Ehe sei nicht der einzige Weg, dies zu erleben.
Tina Tschage: "Einzelstück. Solo leben. Und zwar glücklich", SCM, Holzgerlingen 2015, 269 Seiten, 14,95 Euro.