Kann man in einer schwierigen Krise gelassen bleiben? Ist es sogar ratsam, das Geschehen gelassen aus der Distanz heraus zu beobachten und zu analysieren? Erlebt man in einer solchen Gelassenheit die Corona-Maßnahmen als Einschränkung der Freiheit? Der Theologe, Psychologe und Philosoph Thomas Holtbernd geht diesen Fragen aus einer phänomenologischen Perspektive nach. Für ihn sind Krisen eine Aufforderung, das dynamische Geschehen wie ein Theaterstück oder eine Inszenierung zu betrachten. Als Zuschauer lässt sich eine verantwortliche Gelassenheit entwickeln, die einerseits die Gefühle nicht unterdrückt. Man lässt sich aber beeindrucken und motivieren aus seinen Theatererfahrungen und zieht daraus Schlüsse, um sie hoffentlich in Handlungen umzusetzen. Auf der anderen Seite ist die Gefahr, dass man sich emotional zu sehr in das Geschehen verstrickt, sehr gering. Denn man versteht sich ja als Zuschauer und kann sich jederzeit bewusst machen, dass es nur ein Theaterstück ist. Auf diese Weise kann es gelingen, hinter die Krisen zu schauen, deutlicher oder tiefer zu sehen, wie es zu einer Krise gekommen ist.
Thomas Holtbernd hielt seinen Vortrag im Rahmen der mittwochsgespräche im Düsseldorfer Maxhaus im Februar 2022.