Der Einfluss der Kirchen auf den US-Wahlkampf

"Tiefgehende Abneigung" gegen die Demokraten

Über 300.000 mal ist das Video von Pfarrer James Altman aus Wisconsin bereits geklickt worden. Darin warnt er davor, Joe Biden und die Demokraten zu wählen - und erntet sogar Zuspruch von einem Bischof aus Texas.

Donald Trump / © Alex Brandon (dpa)
Donald Trump / © Alex Brandon ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Pfarrer sagt im Video, dass man in die Hölle kommt und nicht katholisch sein kann, wenn man jemand anderen wählt als Donald Trump. Gibt es Amerikaner, die das wirklich ernst nehmen?

Klaus Prömpers (Journalist und ehemaliger USA-Korrespondent beim ZDF): Sicherlich, auch unter den Katholiken. Denn 42 Prozent der konservativen bis reaktionären Katholiken haben 2016 Donald Trump ihre Stimme gegeben. Ausschlaggebend ist dabei häufig die Abtreibungsfrage.

DOMRADIO.DE: Woher kommt dieser Hass auf die Demokraten? Immerhin wäre Joe Biden seit Kennedy der erste Katholik im Weißen Haus. Und Donald Trump hat schon bewiesen, dass Religion für ihn nur Lippenbekenntnis ist.

Prömpers: Traditionell waren die Katholiken mit ihrer Herkunft aus Irland, aus Italien, also aus katholischen Ländern Europas, immer den Demokraten zugeneigt. Sie waren aber gleichzeitig relativ arme Leute. Als sie teilweise in den Mittelstand aufstiegen, wandten sie sich den Republikanern zu. 

Ich würde nicht unbedingt sagen, es ist Hass. Aber es ist eine sehr tiefgehende Abneigung, die eben nicht nur von Reverend James Altman gepflegt wird, der ausgerechnet in Lacrosse in Wisconsin Pfarrer ist. Wisconsin ist einer der fünf Swing States, bei denen es darum geht: Wer wird am Ende die Wahlmänner und Wahlfrauen beziehungsweise die Mehrheit erreichen? Und deswegen ist es besonders interessant, dass aus solch einem Bundesstaat ein solch harsches Verdikt kommt, das Trump unterstützen soll. Denn im Moment bröckelt dessen Basis in Wisconsin.

DOMRADIO.DE: Der texanische Bischof, der diesen Aufruf gegen die Demokraten unterstützt hat, ist kein Unbekannter. Er gilt als ultra-konservativ, wettert gegen Homosexuelle und hat in den vergangenen Monaten Corona als Lappalie abgetan. Ist er innerhalb der amerikanischen Bischofskonferenz isoliert? Oder denken andere auch so?

Prömpers: Es gibt sicherlich etliche in der amerikanischen Bischofskonferenz, die auch so denken. Nehmen wir beispielsweise Timothy Kardinal Dolan von New York, der sich immer wieder gerne mit Donald Trump trifft, der dessen angebliche - muss man ja sagen - Anti-Abtreibungspolitik unterstützt. "Angeblich" sage ich deswegen, weil Trump, bevor er 2016 für die Präsidentschaft kandidiert hat, immer gegen Abtreibungsverbote gewesen ist. Das ist sehr schön nachzulesen bei Steve Bannon, seinem einstigen Wahlkampfmanager, der analysiert hat, wie einfach er seine Meinung ändern kann - quasi wie mit einem Schalter, der umgedreht wird.

 

 

 

DOMRADIO.DE: Hier in Deutschland sind die Zeiten, in denen die Kirche den Gläubigen von der Kanzel herab eine Wahlempfehlung gegeben hat, vorbei. In den USA scheint das anders zu sein.

Prömpers: Es ist etwas komplizierter, muss man sagen. Es gibt eine sehr schöne Liste von sechs Punkten, wonach ein Politiker katholisch sein kann und man ihn auch wählen kann. Unter diese Kriterien fiele Joe Biden ohne weiteres. Er muss Mitglied sein, er soll den Wegen der katholischen Bischöfe folgen, ein wenig auf den Papst hören, die katholische Soziallehre umsetzen oder sie zumindest bejahen. Und er ist selbst dann wählbar, wenn er möglicherweise für legale Abtreibung und Homo-Ehe ist.

Umgekehrt gilt allerdings auch: Er ist wählbar, wenn er gegen legale Abtreibung und Homo-Ehe ist und gleichzeitig gegen die katholische Soziallehre, also ein sehr weites Spektrum. Das ist eine etwas komplizierte Geschichte. In dem Video von James Altman schimpft er ja auch über die gottlosen Politiker und das gottlose Erziehungssystem in den USA. Er sagt, Politik habe keinen Platz in der katholischen Kirche. Aber die Kirche sei eine moralische Kraft und könne deshalb ihre Stimme erheben. Und das tut er dann auf diese Weise. Andere, die mehr den Flüchtlingsdingen nahestehen, tun es auf andere Weise und bekämpfen Donald Trump.

DOMRADIO.DE: Viele konservative Evangelikale halten Präsident Trump für von Gott gesandt. Wie kommen die auf so etwas?

Prömpers: Es gibt ja in den USA - sehr viel mehr als bei uns – Fernsehprediger, wie früher Billy Graham, jetzt seinen Sohn Frank Graham und viele andere, die der Präsident im Wahlkampf 2016 geschickt eingefangen hat. Die haben dann teilweise solche Ideen in Umlauf gebracht.

Die werden auch gepflegt von katholischen Sendern. Da gibt es wirklich viele Menschen, die sagen: "Ja, diesem Mann liegt Gottes Wohlwollen auf. Das sieht man ja daran, dass er wirtschaftlich sehr erfolgreich und gläubig ist." Was immer "gläubig" bei Donald Trump dann heißt.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Klaus Prömpers (privat)
Klaus Prömpers / ( privat )
Quelle:
DR