Ein schweres Erdbeben hat die Menschen in Mittelitalien mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und viele getötet. Es gab zahlreiche Verletzte und Verschüttete. Italienische Medien berichteten unter Berufung auf den Zivilschutz von 73 Toten. Die Lage blieb unübersichtlich. Mehrere kleine Orte in einer Bergregion etwa 150 Kilometer nordöstlich von Rom wurden durch die Erdstöße verwüstet. Häuser glichen Schutthaufen, Trümmer und Staub bedeckten Autos und Straßen.
"Viele sind noch unter den Trümmern. Wir bereiten einen Ort für die Leichen vor", zitierte die Nachrichtenagentur Ansa den Bürgermeister des Ortes Amatrice, Sergio Pirozzi. Unter den Opfern sollen mehrere Kinder sein. Helfer suchten in den Trümmern völlig zerstörter Häuser weiter nach Überlebenden und Toten. Die Rettungsdienste konnten einige Orte in der bergigen Gegend nur schwer erreichen.
Papst betet Rosenkranz
Papst Franziskus, der sich am Morgen auf dem Petersplatz mit Gläubigen zur Generalaudienz versammelt hatte, brachte sein tiefes Mitgefühl für die Erdbebenopfer zum Ausdruck und verschob die Katechese der Generalaudienz auf kommenden Mittwoch, um mit den Gläubigen den schmerzhaften Rosenkranz zu beten. Die italienische Bischofskonferenz kündigte an, eine Million Euro aus einem Fonds für die Erbebenregion bereitzustellen. Sie rief zudem zu einer nationalen Kollekte in allen Kirchen des Landes am 18. September auf, anlässlich des 26. Nationalen Eucharistischen Kongresses.
Radio Vatikan sprach mit dem Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi: "Es ist dramatisch: Drei Viertel des Ortes gibt es nicht mehr. Jetzt gilt es, so viele Leben wie möglich zu retten. Die Feuerwehr ist angekommen, auch die Hundestaffel kommt – das ist das, was wir jetzt am meisten brauchen. Menschen, die helfen. Es ist eine Tragödie.”
Bischof von Ascoli: Verweifelte Lage
In Pescara del Tronto erreichten die Kollegen von Radio Vatikan den Bischof von Ascoli, Giovanni D’Ercole. "Ich befinde mich im Ort, wo die Lage desolat ist. Als das Tageslicht hereinbrach, habe ich ein zerstörtes Dorf gesehen, ich hörte Schreie, es gab Tote. Wir wissen nicht, wie viele es sind. Wir sind wirklich in einer verzweifelten Lage und leider ist das nicht der einzige Ort, denn auch andere sind betroffen. Einige Ortsteile sind sogar ganz abgeschnitten, da kommt man gar nicht mehr rein. Von einigen Menschen fehlt jedes Lebenszeichen. Soeben habe ich die Leichen zweier jungen gesegnet. Ich kann nicht sagen, wie viele Tote es gibt. Es gibt einige Verletzte aber ich weiß nicht, wie viele Tote. Die Lage wird dadurch erschwert, dass es kalt ist und die Hilfskräfte schwer vorankommen und die Straßen durch das Erdbeben stark beschädigt wurden. Es war sehr stark."
Kardinal Marx spricht Anteilnahme aus
Kardinal Reinhard Marx hat die Deutschen aufgerufen, alle vom Erdbeben in Mittelitalien betroffenen Menschen im Gebet zu unterstützen. "Ich verneige mich in tiefer Trauer vor den Opfern dieser tragischen Katastrophe", schrieb der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz am Mittwoch in einem Brief an seinen italienischen Amtskollegen, Kardinal Angelo Bagnasco.
Er hoffe, dass "die noch Verschütteten bald geborgen werden können und die Rettung für viele rechtzeitig kommt", sagte Marx: "Die Überlebenden brauchen in den kommenden Wochen und Monaten dringend unsere geschwisterliche und großherzige Hilfe".
Bruder Thomas: Basilika von Assisi verschont
Städte wie Perugia und Assisi sind nicht weit entfernt. Auch Touristen an der Adria-Küste meldeten sich besorgt bei den Feuerwehren. An der berühmten Basilika San Francesco in Assisi, die bei einem schweren Erdbeben 1997 beschädigt wurde, gab es dieses Mal nach ersten Angaben keine Schäden. Bruder Thomas Freidel in Assisi sagte gegenüber domradio.de, das Erdbeben sei deutlich zu spüren gewesen, alles habe gewackelt. "Unser Chefrestaurator ist sofort in der Nacht gekommen und hat die Gebäude begutachtet." Schäden seien keine festgestellt worden: "Da bewährt sich die Sicherungstechnik, die nach dem Beben von 1997 eingebaut wurde."
Suche nach Verschütteten dauert an
Das Erdbeben mit einer Stärke von mehr als 6 sowie mehrere Nachbeben hatten in der Nacht auf Mittwoch die gesamte Region zwischen Umbrien, Latium und den Marken erschüttert. Das Beben war auch in Rom und an der Adriaküste zu spüren. Es hatte sein Zentrum in der Provinz Rieti (Latium).
Ein verschütteter Junge konnte am Mittwoch lebend im Ort Pescara del Tronto gerettet werden. Um andere Verschüttete kämpften die Helfer verzweifelt. In Amatrice, dem mit am stärksten betroffenen Ort, halfen Ärzte einem verletzten sechsjährigen Zwilling aus den Trümmern. Der Bruder des Jungen sei noch nicht geborgen, berichtete Ansa.
Um 3.30 Uhr in der Nacht fing die Erde an zu beben. Vor allem die kleineren Ortschaften Amatrice und Accumoli wurden getroffen. "Die Hälfte des Ortes gibt es nicht mehr. Die Menschen sind unter den Trümmern", sagte der Bürgermeister von Amatrice dem Nachrichtensender RaiNews24. Straßen waren blockiert, der Strom war ausgefallen. Der Bürgermeister forderte Hilfe per Hubschrauber. Ein Einwohner sagte dem Sender: "Alles ist kaputt." Auch das Militär wurde zum Hilfseinsatz mobilisiert.
Das Beben hatte nach jüngsten Angaben des Geophysischen Instituts Potsdam eine Stärke von 6,2 und lag in zehn Kilometern Tiefe. Städte wie Perugia und Assisi sind nicht weit entfernt. Auch Touristen an der Adriaküste meldeten sich besorgt bei den Feuerwehren.
Italien wird auf Grund seiner geografischen Lage immer wieder von Erdbeben erschüttert, oft auch von schwerwiegenden. 2009 war bei einem Beben die mittelitalienische Stadt L'Aquila verwüstet worden. Damals starben mehr als 300 Menschen. L'Aquila liegt Luftlinie nur gut 30 Kilometer von Amatrice entfernt. "Das, was wir in L'Aquila vor Jahren gesehen haben, ist nun hier geschehen", sagte der Bürgermeister von Accumoli. "Wir brauchen Hilfen", ergänzte er in einem Telefongespräch mit dem Sender RaiNews24er.
Bundesregierung sagt Hilfe zu
Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte Hilfe zu. "Die Nachrichten aus Italien über das nächtliche Erdbeben habe ich mit Erschrecken aufgenommen", teilte er mit. "Wenn gewünscht, stehen wir natürlich bereit, Unterstützung zu leisten."
Das Technische Hilfswerk (THW) sieht Chancen auf Überlebende in den Trümmern. "In Altbauten gibt es immer die Chance, in irgendwelchen Hohlräumen zu überleben", sagte THW-Präsident Albrecht Broemme dem Nachrichtensender N24. "Es ist allerdings schwierig, denn diese Gebäude sind nicht nach modernen Aspekten erdbebensicher gebaut." Im Zentrum des stark betroffenen Ortes Amatrice gebe es dreigeschossige Altbaugebäude, die recht stark zerstört seien. Die Straßen seien eng und oft durch Erdrutsche beschädigt. Es werde erfahrungsgemäß einige Tage dauern, bis die Trinkwasserversorgung wieder hergestellt sei, sagte Broemme.