Traumabewältigung durch Kunst - ein Projekt für Flüchtlingskinder

Strichmännchen in überfüllten Booten

​Im Kunstatelier der Ermekeilkaserne in Bonn sind Flüchtlingskinder einmal pro Woche dazu eingeladen, die Strapazen ihrer beschwerlichen Reise für ein paar Stunden zu vergessen. Doch das Erlebte spiegelt sich auch in ihren kleinen Kunstwerken wieder.

Autor/in:
Julia Rosner
Kunstprojekt mit Flüchtlingskindern in der Ermekeilkaserne / © Jennifer Zumbusch
Kunstprojekt mit Flüchtlingskindern in der Ermekeilkaserne / © Jennifer Zumbusch

Jeden Mittwoch läuft die Fotografin Jennifer Zumbusch mit ein paar Pinseln in der Hand über das Gelände der Ermekeilkaserne in Bonn. "Art studio open - Kunstatelier geöffnet" erklärt sie jedem Flüchtling, dem sie auf ihrem Weg begegnet. Für die, die sie nicht verstehen, zeigt sie auf die Pinsel in ihrer Hand. Viele wissen dann sofort, was gemeint ist. Sie kennen Jennifer und ihrer Projekte schon lang.

In der ehemaligen Kaserne leben rund 350 Flüchtlinge, die auf ihren Transfer warten. Dabei kann ihr Aufenthalt in der Unterkunft mehrere Wochen dauern. Ungewissheit über den Verbleib und ein Gefühl von Perspektivlosigkeit beschäftigen viele von ihnen.

"Ein kleines Lächeln"

Um den Menschen eine kleine Ablenkung vom monotonen Alltag im Heim zu geben, hat die Ermekeilinitiative e.V. vier Kunstateliers auf dem Gelände der Kaserne eingerichtet. 14 Künstler aus dem Bonner Umland engagieren sich dort ehrenamtlich. Eine von Ihnen ist Jennifer Zumbusch. Neben Näh- und Strickkursen für Erwachsene, bietet sie gemeinsam mit ihren Künstler-Kollegen Töpfer-und Bastelkurse für die Flüchtlingskinder an. Mit den jüngsten Sprösslingen geht sie auch gern einmal in das kleine Spielzimmer, das auf der Etage der Ateliers eingerichtet wurde. "Es gibt nichts schöneres, als den Kindern ein kleines Lächeln in ihre oft traurigen Gesichter zu zaubern", erklärt Jennifer.

Die Stimmung in den Ateliers ist immer sehr ausgelassen und das, obwohl die Verständigung oft nur mit Händen und Füßen möglich ist. "Während sich die Kinder künstlerisch austoben, tauen viele von ihnen erst richtig auf. Dabei üben sie sich auch in den ersten deutschen Worten", erklärt die Fotografin.

Die Flucht in Bildern

Dennoch merken die ehrenamtlichen Helfer immer wieder, wie stark die Kinder von ihren Erlebnissen geprägt sind. Dabei leiden sie oft stärker unter den Erfahrungen, die sie auf der beschwerlichen Flucht gemacht haben, als unter dem eigentlichen  Krieg, vor dem sie geflohen sind. So hängen an den Wänden der Ateliers viele gemalte Bilder, auf denen mit Strichmännchen überfüllte Boote zu sehen sind. Auch Strichmännchen, die unter Wasser treiben, haben einige Kinder in ihre Bilder gezeichnet.

Ramon, einer kleiner Junge aus Syrien, zeigt uns während des Interviews mit Jennifer stolz ein selbst getöpfertes Schiff mit Segel und voller Besatzung. "Sie verarbeiten dadurch ihre Erlebnisse. Manche von ihnen sitzen stundenlang in einer Ecke und malen still vor sich hin. Man kann richtig spüren, wie sie dabei etwas verarbeiten", erklärt Jennifer berührt.

Fotoworkshop geplant

Da sich viele der kleinen Bewohner für Jennifers Handwerk - die Fotografie - interessieren, hatte sie für Februar eigentlich einen Fotoworkshop mit den Kindern geplant. Dabei sollten sie lernen, mit einer Kamera umzugehen. Ob der Kurs jedoch stattfinden kann, ist im Moment noch unsicher. Erst vor kurzem haben die Künstler erfahren, dass sie das Haus in der Ermekeilkaserne zum 31. Januar erlassen und die Ateliers räumen müssen. In das Gebäude sollen weitere Flüchtlinge einquartiert werden, da es an Schlafplätzen mangelt.

"Natürlich ist es wichtig, dass jeder der Neuankömmlinge eine Unterkunft findet. Dennoch ist für sie ein Ausgleich zu den traumatischen Erfahrungen nicht weniger bedeutend", betont die Fotografin. Die Künstler verhandeln mit dem Verkäufer der Kaserne, dem Bundesamt für Immobilienaufgaben Bonn, über einen Ausweichplatz für ihre Ateliers. Bislang jedoch ohne Erfolg.


Die Ermekeilkaserne in Bonn / © Jennifer Zumbusch
Die Ermekeilkaserne in Bonn / © Jennifer Zumbusch
Quelle:
DR