KNA: Herr Professor Krämer, der Schritt des Papstes hat weltweit für große Aufregung ausgelöst. Wie beurteilen Sie das Vorgehen Benedikts XVI. als Kirchenrechtler?
Krämer: Ich war zunächst auch sehr betroffen, aber nach der Lektüre der entsprechenden Dokumente habe ich das Anliegen des Papstes durchaus verstanden.
KNA: Warum?
Krämer: Der Papst hat zunächst einmal nur die Strafe der Exkommunikation für die vier traditionalistischen Bischöfe der Piusbruderschaft aufgehoben. Damit ist aber die Trennung zwischen Kirche und den Anhängern Lefebvres noch nicht beendet. Um dieses Schisma zu überwinden, bedarf es weiterer Gespräche und konkreter Vereinbarungen.
KNA: Dürfen die vier Bischöfe jetzt wieder die Eucharistie feiern oder gar Priester weihen?
Krämer: Nein, denn sie bleiben suspendiert vom Priester- und Bischofsamt.
KNA: Was wäre der nächste Schritt?
Krämer: Der Vatikan hat deutlich gemacht, dass das Schisma nur dann endet, wenn die vier Traditionalisten-Bischöfe klar und deutlich die Autorität des Papstes und auch die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils anerkennen. Sollten sie das nicht tun, wäre zwar die Exkommunikation aufgehoben, aber die Suspendierung vom Amt bliebe bestehen.
KNA: Hat sich der Papst nicht selbst in Zugzwang gesetzt?
Krämer: Er hätte auch einen anderen Weg gehen und klare Vorbedingungen stellen können. Ich glaube aber, Benedikt XVI. wollte Großmut zeigen und den ersten Schritt tun, weil er sich als Wahrer der Einheit der Kirche sieht. Damit setzt er die vier Traditionalisten-Bischöfe zugleich massiv unter Zugzwang. Sie sind jetzt an der Reihe und müssen klar sagen, ob sie die Beschlüsse des Konzils unterschreiben.
KNA: Manche Kritiker befürchten, dass der Papst hinter das Konzil zurück will...
Krämer: Ich halte das für undenkbar. Benedikt XVI. hat sich zwar immer wieder besorgt gezeigt, dass die Texte des Konzils falsch interpretiert werden. Aber die gesamte Theologie von Joseph Ratzinger bezieht sich auf dieses Konzil. Auch als Papst hat er sich immer wieder deutlich beispielsweise zur Religionsfreiheit oder zum Dialog mit den nicht-christlichen Religionen bekannt. Dass er durch das Zugehen auf die Piusbruderschaft das Konzil aushebeln wollte, das kann ich mir nicht vorstellen.
KNA: Weltweite Aufregung hat auch ausgelöst, dass der britische Traditionalisten-Bischof Richard Williamson den Holocaust geleugnet hat.
Krämer: Es muss ganz klar sein, dass jemand, der den Holocaust leugnet oder antisemitische Einstellungen befürwortet, in der katholischen Kirche kein Bischof sein kann. Ob es zu einer Aufhebung der Suspendierung von Bischof Williamson überhaupt kommen kann, ist sehr fraglich. Dann müsste er sich über die anderen Bedingungen für die Wiederherstellung der Einheit hinaus in glaubwürdiger und eindeutiger Weise von seinen bisherigen Äußerungen zum Holocaust distanzieren. Alles andere ist für mich undenkbar.
Trierer Kirchenrechtler Krämer zum Streit um Piusbruderschaft
"Traditionalisten-Bischöfe massiv unter Zugzwang"
Die Wiederaufnahme von vier Traditionalisten-Bischöfen in die katholische Kirche hat weltweit für Wirbel gesorgt. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) nahm der Trierer Kirchenrechtler Peter Krämer Papst Benedikt XVI. am Mittwoch in Schutz. Das Kirchenoberhaupt bringe die Traditionalisten in Zugzwang; sie müssten ihre Position zum Zweiten Vatikanischen Konzil jetzt eindeutig festlegen.
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