Er frage sich zunehmend, ob "die Themen und Schwerpunkte, die der Synodale Weg setzt, wirklich die Reformimpulse geben können, die wir in der gegenwärtigen tiefen Krise unserer Kirche brauchen". Reform werde zu einseitig als Änderung der kirchlichen Machtstrukturen und der Morallehre gesehen, so der Theologe. Zu kurz komme der spirituelle Aspekt der Erneuerung und Umkehr der Kirche.
Offener Dialog sehe anders aus
Nach Einschätzung Brantls, der im Forum Sexualität mitarbeitet, wurde die "Offenheit der Beratung" in der Arbeit der Synodalen zu schnell abgebrochen. Schnell habe eine Ausrichtung im Forum dominiert, "wie sie eine Mehrheit der Forumsmitglieder am Ende des Beratungsprozesses sehen wollte". Einen offenen und ehrlichen Dialog stelle er sich anders vor. Die dominierende Mehrheit trete nicht für eine Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre, sondern für einen kompletten Umbruch ein, kritisierte Brantl.
In einigen Punkten sieht Brantl hingegen einen "klaren Konsens". Er begrüße beispielsweise das Votum zur Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts. Auch sollten Homosexuelle in der Kirche eine Heimat haben.
Dennoch habe er gegen den Text zu "Segensfeiern für Paare, die sich lieben" gestimmt, weil er nicht sehe, wie das Profil der katholischen Sexualmoral mit besonderer Wertschätzung der Beziehung zwischen Mann und Frau in Form der Ehe als Sakrament gewahrt werden könne.
Aus der Argumentation, alle Beziehungen seien prinzipiell gleichwertig, in denen Werte wie Liebe, Freundschaft, Verlässlichkeit oder Treue gelebt werden, ließe sich auch eine "kirchliche Ehe für alle" ableiten, so der Theologe. Daraus könne perspektivisch eine Forderung abgeleitet werden, nicht nur Paaren, sondern auch Beziehungsmodellen zwischen drei oder vier Personen einen kirchlichen Segen zu erteilen.
Ihn wundere die "Naivität all derer, die meinen, dass mit einer Segensfeier der Diskriminierungsvorwurf vom Tisch sei". Diese Fragen habe das Forum nicht beantwortet.
Gefordert wurden bei dem Treffen des Synodalen Wegs am vergangenen Wochenende unter anderem eine moderne Sexualmoral, die Öffnung des Priesteramtes für Frauen, eine Lockerung der Verpflichtung zur Ehelosigkeit für Priester und ein anderer Umgang mit Macht. Die Voten der Synodalversammlung haben allerdings nur begrenzt Wirkung, weil die meisten der dort angesprochenen Bestimmungen auf Ebene der Weltkirche geregelt sind.