Die Instagram-Seite des britischen Musikers Roger Waters zeigt vor allem kurze Videos von Konzertausschnitten. Doch ein Beitrag aus den vergangenen Wochen sticht heraus: Das Foto zeigt den Grabstein der von den Nazis ermordeten Widerstandskämpferin Sophie Scholl; ein paar welkende Rosen auf der Grabplatte. "Wir erinnern an die Kristallnacht", schreibt Waters dort unter anderem.
Fragwürdige Äußerungen
Brisant wird der Beitrag vor allem durch den Kontext. Seit Jahren fällt der Mitbegründer der Band Pink Floyd durch fragwürdige Äußerungen auf; verglich etwa in Interviews Israels Politik mit dem Holocaust. Ab 2010 ließ er auf Konzerten Ballons in Form eines Schweins steigen und zerstören.
Neben einem Kreuz, einem Dollarzeichen und Unternehmens-Logos war darauf auch ein Davidstern abgebildet. Die Aktion löste international eine Debatte aus.
Die sogenannte Judensau ist seit vielen Jahrhunderten ein antisemitisches Symbol. Waters veröffentlichte ein Statement auf Facebook und wies alle Anschuldigungen von sich. Er habe viele jüdische Freunde; sein Vater habe gegen die Nazis gekämpft, verteidigte er sich. Das Schwein stehe für das Böse, der Davidstern für den Staat Israel.
Doch ganz so eindeutig, wie er selbst behauptet, scheint Waters Staat und Religion dann doch nicht zu trennen. Angesprochen auf den Davidstern sagte er noch im März in einem Interview, es sei eines von vielen Symbolen, die für religiöse Dogmen stehen, die ihm zuwider seien.
Waters wehrt sich
Zweifel an seiner Gesinnung räumte Waters mit Statements wie diesen nicht aus. Bereits 2017 beendete der WDR eine Kooperation mit dem Musiker; weitere öffentlich-rechtliche Sender folgten. Zuvor hatte die Kölnerin Malca Goldstein-Wolf eine Petition gestartet und den WDR kritisiert, einen "Judenhasser" mit Gebührengeldern zu unterstützen.
Aussagen, gegen die Waters sich immer wieder wehrt. Zudem hat seinen politischen Einsatz verstärkt. So ruft er andere Musiker auf, keine Konzerte in Israel zu geben. Seit vielen Jahren ist er prominenter Unterstützer der gegen Israel gerichteten Boykott-Bewegung BDS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen).
Aktuell bereist Waters mit der Tour "This IS Not A Drill" Europa. Am Sonntag gab er in Hamburg sein erstes Tour-Konzert in Deutschland.
Proteste in Köln
Für Dienstagabend ist ein Auftritt in der Kölner Lanxess-Arena angesetzt. Wie auch an anderen Orten haben sich hier Proteste formiert.
In der Domstadt forderte ein breites Bündnis aus Kirchen, Judentum und Politik eine Absage des Konzerts - erfolglos. Die Arena will an dem Vertrag mit dem externen Veranstalter festhalten, solange gegen den Musiker keine strafrechtlich relevanten Vorkommnisse vorliegen.
An diesem Montagabend protestierte das Bündnis vor dem Kölner Dom - und warnte unter anderem davor, dass Antisemitismus in Deutschland schleichend wieder salonfähig werde. "In Bezug auf Antisemitismus kann es kein anderes Interesse geben, als ihn zu bekämpfen", sagte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos).
Und der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, betonte, ein Konzert wie dieses dürfe sich nicht wiederholen. Waters dürfe sich nicht auf das Grundgesetz berufen, um seine "Schmutzparolen" zu verkünden.
Rechtsstreit in Frankfurt
Das für 28. Mai in Frankfurt geplante Konzert sorgte für einen Rechtsstreit. Stadt und Land Hessen hatten als Gesellschafter der Frankfurter Messe angewiesen, das Konzert abzusagen. Waters zog mit einem Eilantrag vor Gericht - und bekam Recht.
Zwar bediene er sich im Rahmen seiner Bühnenshow "offenkundig einer an die nationalsozialistische Herrschaft angelehnten Symbolik", so die Richter. Allerdings lasse sein Auftritt nicht in der Gesamtschau den Schluss zu, dass er NS-Gräueltaten relativiere.
Zurück zum Instagram-Beitrag, den Waters während des Verfahrens absetzte. Neben dem Grabbild von Sophie Scholl schreibt der Musiker, dass er unabhängig von der Gerichtsentscheidung nach Frankfurt kommen werde - weil die Menschenrechte und das Recht auf freie Meinungsäußerung wichtig seien.
"Wir erinnern an die Kristallnacht! Wie Sophie Scholl standen unsere Väter hinter den 3.000 jüdischen Männern, und heute stehen wir hinter den Palästinensern", schreibt Waters in Großbuchstaben auf Englisch.
Der Hintergrund: Der Frankfurter Konzertort, die Festhalle, ist zugleich jener Ort, an dem im Zuge der Novemberpogrome von 1938 mehr als 3.000 Juden festgehalten, misshandelt und später deportiert wurden.
Waters' Bühnenshow möge vor diesem Hintergrund "als besonders geschmacklos" zu bewerten sein, so das Frankfurter Gericht. Die Veranstaltung sei aber von der Kunstfreiheit gedeckt und verletze nicht die Menschenwürde der in der Festhalle misshandelten jüdischen Männer.
Debatten zu Kunstfreiheit und Antisemitismus
Der Kulturbetrieb trat in den vergangenen Jahren immer wieder Debatten zu Kunstfreiheit und Antisemitismus los. Genannt seien nur die documenta und die Ruhrtriennale. Für viele Kritiker hat Waters die Schwelle einer reinen Geschmacklosigkeit aber längst überschritten - so etwa auch für das Internationale Auschwitz-Komitee, das sich entsetzt über den Gerichtsentscheid zeigte.
In den Sozialen Medien hingegen wird Waters schriftlich und laut applaudiert. "Free Palestine" schreiben seine Fans wieder und wieder.
Darunter mischen sich aber auch kritische Stimmen. "Bleib weg", so ein Kommentar auf Englisch: "Und hör auf, die Geschichte meines Landes für deine Propaganda zu nutzen. Eine Schande für die wahren Opfer."